Astrologie Heute Nr. 138 (April 2009)
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Astrologie Heute Nr. 138
April 2009

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 138 bestellen
Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 
«Der Rest ist für Sie …»

 
von Barbara Egert
 

 
Die Kunst, ein passendes Trinkgeld zu geben, ist gar nicht so einfach, und ein Studium der Trinkgeldtarife wäre in manchen Fällen und für manche Menschen sicher angebracht. Ein Zuviel kann überheblich wirken, ein Zuwenig zeugt von einem Knauser, ein Garnichts von Verachtung. Besonders Neureiche tappen oftmals ins Fettnäpfchen, denn in elitären Restaurants gibt man nur fünf bis sieben Prozent Trinkgeld, ansonsten outet man sich als stilloser Parvenü.
 
Warum klimpern in den Sakkos von Männern eigentlich immer Münzen? – Um lässig in die Tasche greifen und gekonnt beiläufig ein Trinkgeld parat zu haben. Aber nicht jeder kann das diskret und weltmännisch, diese Geste muss geübt sein. Und wenn man erst grosse Berechnungen anstellt, wie hoch der Obolus denn sein sollte bzw. den geringst möglichen Betrag ausrechnet, dann geht alle Lässigkeit verloren.
 
Ein entfernter Verwandter hat mich und meinen Mann einmal zum Essen eingeladen – wahrscheinlich, weil gerade ein Jupiter-Transit ein Lichtlein von Grosszügigkeit in seinem ansonsten von Steinbock und Saturn bestimmten Horoskop aufleuchten liess. (Sicher hat er diese ausserordentliche Einladung sogleich bereut.) Seine Knauserigkeit zeigte sich spätestens beim Zahlen, als er mit verrunzelter Stirn die zu zahlende Summe fixierte, die Beträge in Windeseile noch einmal nachrechnete – und vor allem, wie viele Prozente nun an Trinkgeld anfallen würden. Er rundet den Rechnungsbetrag am liebsten auf halbe oder höchstens ganze Euro auf, denn damit bleibt er bei einem Betrag, den er gerade noch verkraften kann.
 
Allerdings gibt es auch Saturnier, die immer angemessen agieren, nicht zu viel und nicht zu wenig geben, die masshalten und nichts übertreiben. Das kann man von einem Jupiter- oder Löwe-Menschen nicht unbedingt erwarten. Ich entsinne mich an meine Mutter mit Sonne und Venus in Löwe, die mit einer unnachahmlich königlichen Geste dem Ober ein Trinkgeld überreichte, worauf der sich leicht vor ihr verbeugte – vielleicht war das allein der tiefere Anlass ihrer Grosszügigkeit … Wenn sie diese Art der Trinkgeldübergabe in späteren Jahren zelebrierte, setzte sie jeweils hinter ihr «Und das ist für Sie» die Bezeichnung «junger Mann». Sie konnte das so huldvoll sagen … je älter sie wurde, desto huldvoller.
 
Bei Neptun/Fische bleibt man am besten ganz helle, denn solchermassen Geprägte könnte es durchaus passieren, dass sie geistig-vernebelt – oder je nach Getränk benebelt – die Bezahlung von Speis und Trank schlichtweg vergessen. Ihr Trinkgeld bewegt sich je nach Geistesverfassung zwischen 10 Cent und 5 Euro, und ihnen fällt erst sehr viel später ein, dass es da wohl eine Unverhältnismässigkeit gab. Es ist natürlich auch denkbar, dass der Kellner so schwach und gebrechlich aussieht, dass ein Neptunier voller Mitleid tief in die Tasche greift.
 
Ein Plutonier wiederum beobachtet und registriert mehr oder weniger unauffällig, ob der Ober sich auch rechtschaffen bemüht, sich angemessen respektvoll im Hintergrund hält, aber bei der kleinsten Geste parat steht und die mit autoritärer Stimme bestellten Gerichte und Getränke unverzüglich serviert. Dann hat dieser alle Tests bestanden und wird reichlich belohnt. Als ich eines heissen Sommertages von meiner Bekannten Lisa eingeladen wurde, war es mir zuerst etwas peinlich zumute, weil sie die nette Kellnerin hin und her scheuchte und ihr Missfallen über das falsch servierte Getränk im Kommandoton ausdrückte. Als es ans Zahlen ging, rekapitulierte sie jedoch, dass «das arme Ding» bei der Hitze ja wirklich überfordert sein musste. Lisas dominanter Neptun hatte ihren stark gestellten Pluto besiegt … zumindest bei diesem Anlass.
 
Und die Uranier – möglichst mit hartem Merkur-Aspekt? Gehen wir mal davon aus, dass sie in Windeseile ein Getränk in sich hineinschütten, das Essen herunterschlingen und währenddessen natürlich alles erzählen, was unbedingt jetzt und sofort berichtet werden muss, dann zum Zahlen nach dem Ober rufen und – weil der nicht sofort kommt («Wo bleibt der denn bloss?») – irgendeinen Betrag auf den Tisch legen und mit wehenden Rockschössen oder Röcken oder Haaren aus dem Lokal eilen. Das nächste Abenteuer wartet schon. Wenn man den Uranier dann fragt, was er denn gegessen oder getrunken habe, schaut er einen fragend an: «War ich essen?» (Das allerdings könnte auch unser Neptunier fragen.)
 
Trinkgeld hat eine lange Tradition: Schon im Jahre 1509 erbat Albrecht Dürer in einem Brief an den Handelsherrn Jakob Heller, für den er einen Altar gefertigt hatte, für seine Gesellen, aber auch für seine Frau (!) ein Trinkgeld. Das war damals so üblich. – Warum erbittet eigentlich keiner heutzutage mehr einen Obolus für seine Frau? Das wäre doch was für den Jupiter- oder auch den Löwe-Typ: «Herr Ober, das ist für sie und das für Ihre Frau.»
 


 
Barbara Egert,
geprüfte Astrologin DAV; jahrzehntelange Astrologie-Erfahrung; astrologische Beratungen und Kurse in Berlin; diverse Fachpublikationen; Autorin von Galiastro-Texten; ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE (E-Mail: Barbara Egert)