Astrologie Heute Nr. 144 (April 2010) - Reflexe/Reflexionen
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Astrologie Heute Nr. 144
April 2010

Inhaltsverzeichnis
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R   E   F   L   E   X   E
R E F L E X I O N E N


 

 


Saturnische Zertifizierung mit plutonischen Untiefen
 
von Helen Fritsch

Der Weg dahin war ein wahrer Knochenjob, gepflastert mit Prüfungen und Hieben unter die Gürtellinie, aber jetzt verfüge ich über alle notwendigen Befugnisse: Arbeitsuchende können nun in Deutschland bei der Bundesagentur für Arbeit Bildungsgutscheine für eine Ausbildung in psychologischer Astrologie in meinem Hamburger Ausbildungszentrum beantragen. Unser zweijähriger Vollzeitfernlehrgang wird bundesweit von verschiedenen Behörden zu 100 % finanziert. Ein bisher einmaliges Angebot, dessen durch viele Kämpfe gekennzeichnete Entstehung eine deutliche Entsprechung zu Pluto in Steinbock darstellt. Doch wenn man die vergangenen Jahre auf dem Bildungsmarkt kritisch Revue passieren lässt, gibt es meiner Ansicht nach keinen Anlass, Plutos Schütze-Ära nachzutrauern.

Von Jupiters Expansionsdrang zu Saturns Prüfungszwang
 
Zwischen 1995 und 2008 wanderte Pluto durch das Tierkreiszeichen Schütze. Wir erlebten einen Boom an Seminaren, und in typischer Jupiter-Manier blähte sich der Markt für Weiterbildungen auf. Anbieter versprachen noch mehr Selbstentwicklung und Horizonterweiterung, noch mehr Erfolg, noch mehr Glück.
 
Davon profitierte natürlich auch die Astrologie-Welt. Doch bald wurde das Angebot für astrologische Einsteiger unüberschaubar. Welcher Kurs eignet sich für wen? Worin unterscheiden sich die Kurse? Die Konkurrenz unter den Anbietern verschärfte sich, ihre Dienstleistungen wurden zugleich perfekter. Präsenzunterricht reichte nicht mehr aus, es kamen vermehrt Fernlehrgänge auf den Markt.
 
Auch Grossanbieter von Fernlehrgängen wie ILS und GDS entdeckten die «Esoterik» und nahmen eine Ausbildung in psychologischer Astrologie nach der Huber-Schule in ihr Programm auf. Mit grossem finanziellen Einsatz wurden und werden diese staatlich zugelassenen Fernlehrgänge beworben. Astrologisch bemerkenswert ist dabei die Wortwahl: Es tauchen zunehmend Begriffe auf, die in einem Zusammenhang mit staatlicher Autorität stehen. Mein Fazit: Noch vor Plutos Tierkreiszeichenwechsel in den Steinbock erlebten wir die Vorboten neuer Themen wie Seriosität, Abschlüsse, Prädikate, Titel, Zertifikate, Anerkennungen.
 
Zwischen 2007 und 2009 wurde es dann immer deutlicher: Pluto sagte dem Schütze-Zeichen ade – und der Steinbock betrat mit seinen Staatsbeamten die Szene. Innerhalb weniger Jahre wurden mehrere Ausbildungszentren des Deutschen Astrologen-Verbandes staatlich zugelassen und als Bildungsanbieter von der Umsatzsteuer befreit – steuerliche Angelegenheiten, astrologisch das sogenannte «Geld der anderen», unterstehen bekanntlich dem achten Haus, das einen Bezug zu Pluto hat. Der Anbieter bekommt mehr Anerkennung und profitiert indirekt von einer gewissen Macht, wird aber zugleich vom Staat subtil kontrolliert. Pluto schaut einem nun mal gern auf die Finger, besonders in Steinbock. In der aktuellen Quadratur vermählt sich Saturn zähneknirschend mit ihm. Und sobald Macht im Spiel ist, sind Machtlosigkeit und die Erfahrung von Grenzen nicht fern. Aber auch der betroffene Bürger kann unbequem werden und plutonische Wandlungen bei Behörden bewirken.

Im Spannungsfeld zwischen Pluto und Saturn
 
Dieser Kraft bediente ich mich. Ich studierte die Gesetzgebung der beruflichen Förderung für Arbeitsuchende und kam zu dem Schluss, dass eine Astrologie-Schule unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine zweijährige hundertprozentig staatliche Förderung für arbeitslose Teilnehmer in Deutschland erwirken könnte. Freilich, da machte ich mir nichts vor, würden die Voraussetzungen umfangreich, kostspielig, komplex und an diverse staatliche Zertifizierungen gebunden sein. Trotzdem stellte ich 2009 den Antrag für mein Ausbildungszentrum. Das «Handicap», dass es in unserer Ausbildung um Astrologie geht, hatte ich lediglich im Hinterkopf. Ich ging davon aus, dass dies juristisch keine Rolle spielen dürfte – aber natürlich wurde die Astrologie zum Politikum.
 
Ich war auf dem besten Wege, nach neun Monaten äusserst anstrengender Arbeit die letzte notwendige Zertifizierung zu erhalten. Der Champagner stand schon parat. Jupiter ging über mein MC und ich übertrieb etwas. Ich berichtete von den ersten Erfolgen im Internet. Ein Astronom, dessen Hobby es zu sein scheint, Astrologen und Homöopathen durch sein Fernrohr zu verfolgen, erklärte mir in diversen Blogs den Krieg, sparte dabei nicht mit abfälligen Äusserungen und reichte eine Beschwerde bei der Bundesagentur für Arbeit ein.
 
Die für mich zuständige Zertifizierungsagentur erschrak, und ich wurde vorsichtshalber – inoffiziell, aber faktisch – erneut komplett überprüft. Nun gingen die Fragen in von mir bis dato ungeahnte plutonische Tiefen. So wurde zum Beispiel die Kalkulation der Massnahme an vielen Punkten infrage gestellt, aber einen Fehler fand man nicht. Dann wurden Punkte neu betrachtet, die eigentlich schon längst geklärt waren. Wie könne ich beispielsweise nachweisen, dass Astrologie für manche Berufe einen wirtschaftlichen Faktor darstellt? Ich erläuterte also erneut die Marktrelevanz der Astrologie. Mit Erfolg: Sechs Wochen später erhielt ich die Zertifizierung – und liess endlich den Champagnerkorken knallen.

Plutonische Umtriebigkeit im Land des Steinbocks
 
Kurz darauf vermittelte uns die Bundesagentur für Arbeit zwei erste Kursteilnehmer. Ich schloss gerade mit ihnen Verträge ab, da rief mich meine Zertifizierungsfirma an – es gäbe eine weitere Beschwerde. Diesmal sei sie an das Bundesministerium für Bildung und Forschung gerichtet. Der Zertifizierungsagentur wurde unterstellt, sie hätte mich zu Unrecht zertifiziert. Sollte sich dies bestätigen, würden unsere Zertifizierungen hinfällig. Doch auch diesen Kampf gewannen wir einen Monat später. Die Beschwerde wurde als gegenstandslos abgewiesen.
 
Damit aber nicht genug, nun ist aktuell die Presse aktiv. Mit spöttisch-verächtlichen Bemerkungen wird der Bildungsgutschein für Astrologie zur Kenntnis genommen. Meiner Ansicht nach weisen solche gesellschaftlichen Sanktionierungen psychologisch darauf hin, dass ein Tabu gebrochen wurde: Der «Aberglaube Astrologie» darf nicht staatlich finanziert werden. Beim Geld hört eben die Freundschaft auf.
 
Doch seitdem die Astrologie im 17. Jahrhundert aus den Universitäten verbannt wurde, treibt sie ihr «Unwesen» jenseits anerkannter Räume und «infiziert» ausreichend viele Menschen in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Positionen. Astrologie-Sympathisanten gibt es überall. Sie geben sich oft nicht zu erkennen, arbeiten einzeln, man könnte fast sagen: im Hintergrund oder Untergrund. Auch das ist plutonisch. So sprachen wir nach der Zertifizierung mit einer Sachbearbeiterin der Bundesagentur für Arbeit – und erfuhren zufällig, dass sie gerade eine seriöse Ausbildung in Astrologie absolviert! Wir können also davon ausgehen, dass Pluto überall kleine geistige Minen legt, die saturnische Verkrustungen sprengen werden.

Zu guter Letzt: Konsens der Kräfte im Quadrat
 
Bei alldem geht es aber nicht nur darum, sich als Astrologe durchzusetzen. Es gilt auch, Gesetze, Strukturen und Auflagen zu nutzen, um seine eigene Qualität überprüfen zu lassen. Gewährt man Einblicke in sein Unternehmen und setzt sich einem Qualitätsmanagement-System aus, so erlebt die Firma eine wohltuende Erneuerung, die Pluto beim loslassenden Agieren beschert – und dem Saturn schadet es nicht, gelegentlich in die Knie zu gehen. Auch das zeigen uns die aktuellen Konstellationen der Langsamläufer. Quadraturen können ungemein förderlich sein, wenn man bereit ist, mit ihnen zu kooperieren, anstatt seine persönlichen Misserfolge auf sie zu projizieren.
 
Bleibt nur noch eines zu sagen: Was war schliesslich ausschlaggebend für die staatliche Förderung? Das liebe Geld! Ich wies nach, dass man mit Astrologie Geld verdienen kann und es sich für den Staat lohnt, seriöse Astrologen auszubilden. So nahm ich den Herrn des achten Hauses ins Boot und lieferte Saturn seine geliebten nachweisbaren Fakten. Und siehe da, auch er sprang mit ins Boot für einen Törn zu dritt.
 

Helen Fritsch, gepr. Astrologin DAV und Heilpraktikerin für Psychotherapie; leitet ein staatlich zugelassenes Ausbildungszentrum des Deutschen Astrologen-Verbandes in Hamburg; dort können sich Arbeitsuchende ihre Ausbildung zu 100 % von der Bundesagentur für Arbeit fördern lassen; der Unterricht wird auch in Fernlehrgängen angeboten (Website: www.astrologie-ausbildung.eu)