Astrologie Heute Nr. 148 (Dezember 2010) - Reflexe/Reflexionen
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Astrologie Heute Nr. 148
Dezember 2010

Inhaltsverzeichnis
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R   E   F   L   E   X   E
R E F L E X I O N E N


 

 


 
Astrologie mit intellektuellem Anspruch, sinnlichem Genuss und purer Lebensfreude

 
Bericht über eine Astrologieveranstaltung als Teil des Welser Kultur- und Filmfestivals 2010
 
von Peter Fraiss
 
Die Kooperation hat sich gelohnt: Hannelore Traugott hatte das Konzept für das Ereignis, ein Kulturverein der oberösterreichischen Stadt Wels bot mit seinem Kultur- und Filmfestival den Rahmen dafür und die Berufsgruppe der Astrologen in der Wirtschaftskammer Oberösterreich sponserte den Anlass. Mit acht Veranstaltungen unter dem Motto Sternstunden wurde der Blick in den Himmel im Spannungsfeld von Mythologie, Wissenschaft, Science-Fiction und Poesie gewagt.

 
  
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  (v. l. n. r.) Miguel Herz-Kestranek, Hanne-
lore Traugott, Alexander von Schlieffen, Peter Fraiss, Xenia Hausner und Peter Huemer                       (grösser: auf Bild klicken)
Im Mittelpunkt des medialen Interesses stand der 24. September 2010 mit seinen prominenten Gästen. Dieser lange Freitagabend – die Veranstaltung dauerte von 17 Uhr bis 0.30 Uhr – hatte das Ziel, Facetten der Astrologie zu präsentieren, die üblicherweise einem breiten Publikum vorenthalten werden. Das Interesse an Astrologie sollte nicht durch astrologische Fachvorträge, auch nicht durch spektakuläre Prognosen oder esoterische Theorien, sondern einzig und allein durch das Verdeutlichen des Bezugs der Astrologie zur abendländischen Kultur, zu Wissenschaft und Kunst erreicht werden. Vertreter dieser Disziplinen waren zur Diskussion geladen. Eine von kongenialen Musikern begleitete Literaturlesung, ein Buffet und ein abschliessendes Fest mit DJ bildeten einen Kontext, der Astrologie mit intellektuellem Anspruch, sinnlichem Genuss und purer Lebensfreude verband.
 
Die Veranstaltung begann mit drei Impulsreferaten. «Die Kunst des Schauens» nannte Hannelore Traugott ihren Vortrag. Einer kurzen Einleitung über die Ursprünge der Astrologie und über die einst vorhandene Gleichzeitigkeit von Philosophie und Lebensvollzug folgte ein leidenschaftliches Plädoyer, die astrologische Deutung als kreativen Prozess zu sehen. Die Astrologie sei eine Schwester der Kunst, denn die Schau verlange weit mehr als nur die Anwendung eines auf Erfahrung basierenden Wissens. Erst der schöpferische Bezug zum eigenen Inneren schaffe die Verbindung von den Bildern des Himmels zum gestaltbaren Schicksal. Die Schau unterscheide sich damit grundsätzlich vom «Glotzen», das lediglich die Mattscheibe der vorgefertigten Vorstellungen bediene und damit individueller Gestaltungskraft nicht gerecht werden könne. Die Schicksalsidee verlange Lebenserfahrung und die Kraft des Schauens.
 
Danach kam Alexander von Schlieffen auf die Bühne mit der einleitenden Feststellung, dass er jeden bedaure, der an Astrologie glaube. Denn mit der Astrologie sei es nicht anders als mit Physik und Musik und Literatur, die man lieben und praktizieren, aber nicht an sie glauben könne. Das Thema seines Vortrages war aber der Zeit gewidmet: «Im Kreis herum oder geradeaus? – Über die Paradoxie des Zeitempfindens in der Astrologie». Ausgehend von Mircea Eliades Werk «Kosmos und Geschichte» sprach er über die beiden Auffassungen einer linearen und einer zyklischen Zeit. Für Astrologen sei es einfach, die scheinbare Dualität als zwei Betrachtungsweisen eines spiralförmigen Ablaufes zu erkennen, denn Zyklen verbänden uns in ihrer Wiederholung mit der Konsequenz unserer Vergangenheit, die Linearität der Zeit mit unserer Reife. Damit würde die Astrologie zur sinnstiftenden Disziplin.
 
Mit dem dritten Impulsreferat «Die klügsten Argumente gegen die Astrologie» hatte ich das Vergnügen, die oft in den Medien angewandte Dramaturgie astrologischer Präsentation zu durchbrechen. Während sich üblicherweise Astrologen den Argumenten der Skeptiker zu stellen haben, stellte ich die Argumente der Skeptiker infrage. Dies gelang mühelos, indem ich zunächst auf die Tradition der Analogien als Erkenntnismethode im abendländischen Denken hinwies und zeigte, wie die Analogie spätestens mit Descartes ihre Gleichberechtigung zur Kausalität verlor. Erst diese Trennung von Bild und Zahl, von Quantität und Qualität, von Messung und Bedeutung leitete die scheinbar unüberbrückbare Entfremdung zwischen der Astrologie und den Naturwissenschaften ein. Sobald Astrologiekritik aus der Sicht eines auf Kausalitäten reduzierten Weltbildes erfolge, müsse sie daher in Leere zielen. Kausalitäten werden toter Materie gerecht, Astrologie sei aber eine Disziplin lebendiger Formen.
 
Auf diesen Referaten aufbauend folgte eine angeregte Diskussion der Vortragenden mit der Bühnenbildnerin und Malerin Xenia Hausner, dem Historiker, Journalisten und legendären Fernsehmoderator Peter Huemer und dem Autor, Schauspieler und Vizepräsidenten des Österreichischen PEN-Clubs Miguel Herz-Kestranek. Auch diese Diskussion gab uns Astrologen die Möglichkeit, das öffentliche Bild der Astrologie zu korrigieren, indem der Glanz eines wertvollen Kulturguts sichtbar und der Nutzen astrologischer Beratung – weit jenseits aller Wahrsagerei – deutlich wurde. Weniger gut gelang es, einen klaren Standpunkt zu Fragen nach Bestimmung und Schicksal zu finden. Es waren aber gerade diese Fragen, die das Publikum interessierte. Die Diskussion wurde daher von vielen der 250 Besucher beherzt und mit viel neuem Respekt für das alte Bildungsgut fortgesetzt, selbst als die darauffolgende Lesung und das Buffet schon lange vorbei waren.
 
Der Abend hatte sein Ziel erreicht. Das Denkgebäude der Astrologie beeindruckte, und der kulturelle Background der Astrologie machte Staunen. Wir Astrologen sind nicht in die übliche Falle der Beweisnot gefallen. Allerdings hatte sich gezeigt, dass unser Berufsbild im Vergleich zu dem der Künstler und Wissenschaftler noch eher unscharf ist. Vermutlich stehen wir Astrologen in der Darstellung unserer Profession dort, wo die Psychologen vor 20 Jahren standen. In Österreich haben aber Astrologen immerhin eine Berufsvertretung in der Wirtschaftskammer, es gibt gewissermassen eine Astrologen-Innung. Es wird zu ihren grossen Aufgaben gehören, dem Bild der Astrologie mehr Schärfe und Buntheit zu geben. Veranstaltungen wie diese sind zweifellos dazu geeignet.
 
Das von Hannelore Traugott kreierte Format ist bereits zum Vorbild geworden: Am 21. März 2011 wird es eine ähnliche Veranstaltung in Wien geben.