Astrologie Heute Nr. 153 (Oktober 2011)
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Astrologie Heute Nr. 153
Oktober 2011

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 153 bestellen
Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 
(Rat-)Schläge mit dem Holzhammer
  
von Barbara Egert

 

 
Zum Glück habe ich die Anfänge meines Astrologiestudiums einigermassen unbeschadet überstanden, obwohl ich des Öfteren nahe daran war, alle Bücher zu entsorgen. Ja, ent-sorgen, um meine massiven Sorgen und Ängste wieder in den Griff zu kriegen. Wenn ein Astroanfänger, wie ich damals, neugierig herausgefunden hat, dass Pluto seinen Saturn transitieren wird und in den gerade angeschafften Büchern darüber nachliest, wird ihm das Blut in den Adern gefrieren, und eine Weltuntergangsstimmung überfällt ihn: Alles aus und vorbei! So ging es jedenfalls mir, und wie ich weiss, anderen auch.

Damals, vor einigen Jahrzehnten, gab es noch kein Internet und weitaus weniger astrologische Literatur als heute, überhaupt waren psychologische Deutungen nur vereinzelt zu finden. Ginge es mir heute mit dem Riesenangebot an Lehr- und Infomaterial besser …? Doch bleiben wir bei Pluto auf Saturn und fühlen mit dem armen Sternenlehrling von damals mit, der liest, dass alles zusammenbrechen und er sich der Personifizierung des Bösen ausgeliefert sehen wird, die Partnerschaft kaputtgeht, existenzielle und langwierige Krankheiten ausbrechen werden, er sein künftiges Leben in Armut fristen muss und sich bald in einem nicht enden wollenden Schockzustand befinden wird. – Heaven help!

Dass sich mein damaliger Transit von Pluto auf Saturn ausgerechnet in Form der Lektüre dieser Literatur manifestieren würde, war mir natürlich nicht klar. Gerade glücklich verheiratet, am Beginn einer neuen beruflichen Tätigkeit, gesund und munter – und dann dieser Holzhammer, der mich geistig und gefühlsmässig alles erleben liess, was mir in den Astrobüchern angedroht wurde. Der erste Transit – vor Beginn meines Astrostudiums – verlief harmlos: Da wusste ich ja auch noch nicht, dass ich dem bösartigen Teufel Pluto begegnen sollte. Der zweite Transit liess mich in der Hölle braten, bis mein gesunder Menschenverstand endlich die bösen Geister vertrieb und ich relativ gelassen dem letzten Transit entgegensehen konnte.

Inzwischen habe ich viele derartige Pluto-Transite bei anderen vermeintlichen Opfern verfolgen können, und in den seltensten Fällen manifestierten sie sich so drastisch wie in den alten Büchern beschrieben. Die «fast immer auftretenden finanziellen Verluste» traten fast immer nicht auf. Schwierige Manifestationen konnte ich dann beobachten, wenn die Situation des Betroffenen grundlegende Änderungen erforderte, zu denen er freiwillig nicht bereit war. Warum wird in den entsprechenden Publikationen nicht der Konjunktiv verwendet: die Möglichkeit von problematischen inneren und äusseren Ereignissen, die eintreten könnten, wenn bereits das Gesamthoroskop einen Hinweis auf diese Thematik gibt? Ebenso die Möglichkeit von «mildernden Umständen», die sich aus angebundenen Aspekten ergeben, wie zum Beispiel, wenn Saturn im Trigon zu Jupiter und im Sextil zum AC steht.

Stellen wir uns eine jüngere Frau vor, die in einer harmonischen Ehe lebt, allerdings von Natur aus etwas eifersüchtig ist. Sie interessiert sich für Astrologie und muss nun feststellen, dass dieser schwierige Transit auf sie wartet. Sie könnte beginnen, ihren Mann zu kontrollieren, ihm nachzuspionieren und mit absurden Verdächtigungen zu konfrontieren, bis es zu Zerwürfnissen kommt. Soll das die «Absicht» von Pluto auf Saturn sein? Doch wohl eher eine sich selbst erfüllende Prophezeiung! Man könnte entgegnen, dass die Frau eben lernen muss, loszulassen – ihre unbegründete Eifersucht zum Beispiel. Doch das wäre Zynismus!

Bei Pluto-Transiten sind Blicke in den Abgrund manchmal unvermeidlich, aber man braucht den Ratsuchenden ja nicht gleich in den Abgrund zu stürzen. Überdies sind von dem Pluto-Transit auf Saturn, der ja kein persönlicher Planet ist, ganze Jahrgänge betroffen. Es ist kaum anzunehmen, dass eine Unzahl von Menschen dem Leibhaftigen, der sie mit Haut und Haar verschlingen wird, höchstpersönlich begegnet.

Man muss sich wirklich fragen, ob die Verfasser solcher Texte ihre eigenen gravierenden Ängste auf andere übertragen wollen oder ob ein kritisch aspektierter Möchtegern-Machthaber-Pluto mit ihnen durchgeht, wie vielleicht Pluto im herausfordernden Winkel zu Merkur, Saturn (!), AC und MC? – Ich halte Deutungstexte mit solchen apokalyptischen Aussagen für ethisch unzulässig und verantwortungslos (was auch das «Berufsgelöbnis des DAV» bekräftigt).

Astrologie sollte eine Lebenshilfe sein und uns nicht das Fürchten lehren noch unsere Handlungsfreiheit einschränken noch Gespenster heraufbeschwören, die wir nicht mehr loswerden.


Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV; jahrzehntelange Astrologie-Erfahrung; astrologische Beratungen und Kurse in D-Berlin; diverse Fachpublikationen; ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE; Autorin von Galiastro-Texten; Bücher: «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009) (E-Mail: Barbara Egert)