Astrologie Heute Nr. 156 (April 2012)
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Astrologie Heute Nr. 156
April 2012

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 156 bestellen
Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 

Und noch ein Spruch …
 
von Barbara Egert
 

 

Meine Mutter merkte immer, wenn eines ihrer Kinder nächtens ins Haus schlich und kommentierte das am nächsten Morgen mit: «Die Mitternacht zog näher schon, in stiller Ruh lag Babylon …» Sie weiss also, dass es gestern spät wurde, und doch: Unbarmherzig reisst sie die Fenster auf, damit das grelle Licht mich endlich wach macht: «Morgenstund hat Gold im Mund», ruft sie. Schon vor dem Aufwachen verdrehe ich genervt die Augen. Kann sie ihre Tochter denn nicht am Wochenende mal ausschlafen lassen? Nein, mit dem Mond in Widder und Pluto hoch drei geht das natürlich nicht.

Ganz anders mein Vater mit seinem Mond in Fische (er war doch nicht etwa hochsensibel?). Der öffnet nämlich leise die Türe und schickt unseren Hund vor, der auf mein Bett springt, an meinen Haaren zieht, mich mit seiner feuchten Schnauze stupst, an der Bettdecke zieht und mich frech ­angrinst, als ob er sagen wolle: «Aufwachen!» Sobald ich aufgestanden bin, was er schwanz­we­delnd begrüsst, saust er mit seiner Stier-Sonne zum Kühlschrank und hofft auf ein kleines Leckerle. Ach ja, das ist Jahrzehnte her, doch manches behält man ewig in Erinnerung, besonders jene Sprüche, die einem schon morgens den Tag vermiesten.

Ein aus der Steinzeit übrig gebliebener Lehrer liess uns auf unsere Hefte schreiben: «Carpe diem!» Er übersetzte das natürlich mit: «Nutze den Tag!» Aber dieser Satz von Horaz meinte ursprünglich «Geniesse den Tag!» Und genau das meinte der personifizierte Saturn, ganz Lehrmeister mit erhobenem Zeigefinger, eben nicht. Aber wir taten genau das, was er nicht meinte, und mieden die in der Kladde verewigten Klugheiten, denn: «Lesen gefährdet die Dummheit.» Genau!

So streiten sich der Faule und der Fleissige, der Lebenskünstler und der Miesepeter, fetzen sich Saturn und Jupiter, Uranus und Mond, und jeder untermauert seine Vorzüge mit einem Spruch. «Lerne Ordnung, liebe sie. Sie erspart dir Zeit und Müh’», sagt die Jungfrau, und zu Neptun gewandt: «Ordnung ist das halbe Leben.» Dem fällt vor Entsetzen das Zepter aus der Hand, und er ergänzt: «Ich lebe die andere Hälfte.» Natürlich kommt Saturn der Jungfrau zu Hilfe: «Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!» – «Quatsch!», sagt der Stier-Mars: «Gut Ding will Weile haben.» Und so geht das weiter und weiter, bis Pluto die Nase voll hat von diesem Gelaber: «Ein leerer Topf am meisten klappert, ein leerer Kopf am meisten plappert.»

Jupiter und Neptun entfernen sich aus der Runde: «Im letzten Hemd ist keine Tasche», sie wollen shoppen gehen: «Nobel geht die Welt zu Grunde.» Venus schliesst sich den beiden an, denn «Kleider machen Leute.» Währenddessen sitzt der Mond im zwölften Haus und jammert vor sich hin, warum die drei ihn denn nicht mitgenommen hätten? Uranus nennt den Mond immer Mimose und sagt genervt zu ihm: «Lerne leiden, ohne zu klagen!» Überhaupt ist Uranus in revolutionärer Stimmung, er bastelt ge­rade an einer Erfindung und hat es besonders auf Saturn in Jungfrau abgesehen. Der mit seiner Beschränktheit und Anständigkeit und seinem dämlichen Spruch: «Schuster bleib bei deinen Leisten!» Keine eigene Vi­sion hat der: «Dummheit frisst, Intelligenz säuft, das Genie macht beides», zischt er ihm entgegen. Saturn in Jungfrau wendet sich seiner verstaubten Briefmarkensammlung zu und murmelt: «Bescheidenheit ist eine Zier.»

Währenddessen nähert sich der kluge Merkur seinem Freund Uranus, den er irgendwie bewundert, ihm aber vorsichtig zur theoretischen Untermauerung seiner genialen Erfindung raten muss, auch wenn sie ­etwas Zeit erfordert. Davon will Uranus nichts wissen: «Des Teufels liebstes Möbelstück ist die lange Bank.» Irgendwann dämmert ihm, dass er wohl doch Merkurs Hilfe benötigt, der nach kurzem Nachdenken erkennt: «Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos», und so beginnen die beiden zu tüfteln, bis Merkur ausruft: «Da liegt der Hase im Pfeffer» und seinem Querdenker Uranus recht gibt: «Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt an die Quelle.» Sie klopfen sich gegenseitig auf die Schultern: «Begabung verpflichtet!» Saturn mit seinen Briefmarken wird immer saurer: «Einbildung ist auch ’ne Bildung.»

Inzwischen kommen Venus, Jupiter und Neptun von ihrer Shoppingtour zurück. Mond schmollt noch in seinem zwölften Haus und will beleidigt bleiben: «Geschehene Dinge haben keine Umkehr.» Aber nun: Jupiter hat ihm eine Chopin-CD mitgebracht, und der Mond wirft sich strahlend in seine Arme. Totale Begeisterung! Pluto schaut dieser Idylle argwöhnisch zu und würde ihnen am liebsten die gute Laune verderben. Merkur droht ihm: «Der Argwohn isst mit dem Teufel aus der gleichen Schüssel.» Apropos: Stier-Mars hat Hunger und lädt alle zum Essen ein: «Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen.» Nun wird sogar Saturn munter und lächelt (!), denn er wird eingeladen! «Ende gut, alles gut!»

 


 
Barbara Egert,
geprüfte Astrologin DAV; jahrzehntelange Astrologie-Erfahrung; astrologische Beratungen und Kurse in D-Berlin; diverse Fachpublikationen; ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE; Autorin von Galiastro-Texten; neues Buch: «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (E-Mail: Barbara Egert)