Astrologie Heute Nr. 158 (August 2012)
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Astrologie Heute Nr. 158
August 2012

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 158 bestellen
Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 

Notlügen & Co.
 
von Barbara Egert
 

 

Die erste bewusste Lüge ist immer die schlimmste, denn bis dahin befinden wir uns im Paradies der Redlichkeit. Im Laufe der Jahre verlassen wir das Gefilde der Seligen. Was bleibt uns anderes übrig, wenn wir in Frieden leben wollen, als ein ganz kleines bisschen – kaum der Rede wert – zu schwindeln. «Der Erfinder der Notlüge liebte den Frieden mehr als die Wahrheit», meinte James Joyce. Und weil wir so friedfertig sind und bleiben wollen, werden wir bald zu Virtuosen in der Kunst der Notlüge. Manche allerdings behalten trotz allem ein schlechtes Gewissen … Es sei denn, Neptun/Merkur/Jupiter bilden eine Allianz, deren Domizil durchaus das Paradies bleiben kann. Sie merken nämlich gar nicht, dass sie not-lügen, und glauben tatsächlich das, was sie erfinden und andere glauben machen wollen. Und das gelingt ihnen vorzüglich, weil sie in ihrer Ahnungslosigkeit andere Ahnungslose so verwirren, dass keiner mehr weiss, was gespielt wird. Aber zur Sache:

… Ein Spiegel-Journalist machte den Selbstversuch, 40 Tage lang ehrlich zu sein. Fazit: Seine Freunde mochten den Lügner lieber. Am meisten überraschte ihn aber, dass die Annahme, der Mensch würde täglich bis zu 200 Mal lügen (Frauen liegen dabei über dem Durchschnitt), zu stimmen scheint. An einem einzigen Morgen, schlecht gelaunt und arbeitsunlustig, begrüsste er an die 20 Leute mit «Guten Morgen»! Das waren schon seine ersten 20 Lügen. Was tun, wenn man unter Saturn- oder Pluto-Einfluss steht und seinen Mitmenschen am liebsten «Scher dich zum Teufel!» zurufen würde? Saturn oder Pluto am DC oder im fünften Haus liebäugeln zwar mit dieser krassen Ehrlichkeit, Verletzungen in Kauf nehmend, aber Venus, Jupiter und Neptun halten sie davon ab. Und Uranus? Na ja, der ist so eilig und mit faszinierenden Ideen erfüllt oder so umtriebig nervös, dass er erst gar nicht «Guten Morgen» sagt. – Auch eine Möglichkeit, Lügen zu vermeiden.

Das Telefon klingelt. Die Mutter fragt: «Ihr kommt doch Morgen zum Mittagessen?» – «Leider klappt das nicht», antwortet die Tochter, «es hat sich leider, leider Besuch angemeldet, dem wir nicht absagen können.» Zum Glück will die Mutter gar nicht die Wahrheit wissen, nicht mal in Erwägung ziehen, dass sie belogen wird. Ach, wir haben doch gar nicht gelogen, das war nur ein Flunkern oder, na ja, höchstens eine Notlüge, die die arme Mutter vor Verletzungen schützen soll. Mutter und Tochter haben eine Merkur/Neptun-Verbindung im Horoskop und sind an ihre Rollen, auf jeden Fall den Frieden zu wahren, gewöhnt. Wer lügt, hat die Wahrheit immerhin gedacht …

Der Schwiegersohn freut sich, ist er doch um eine Notlüge herumgekommen. Denn das Essen, das er dort jeden zweiten Sonntag vorgesetzt bekommt – Schweinebraten mit Klössen und Sauerkraut – hatte er beim allerersten Mal ausserordentlich gelobt, und nun muss er es wohl lebenslänglich essen und findet es grauenhaft. Mit seiner Mars/Neptun-Opposition traut er sich nicht, die Wahrheit zu sagen. Nun verspeist er also mit einem undefinierbaren «Mmhh» den Schweinebraten. Das «Mmhh» ist noch keine (Not-) Lüge, sondern nur eine Täuschung.

Die Lüge unterscheidet sich darin von der Täuschung, dass eine Täuschung ohne das Mittel Falschaussage («Ich liebe Schweinebraten») verübt werden kann. Zum Beispiel täuscht er, wenn er vorgibt, dass das Essen ihm schmecke. Wenn er genauer gefragt wird und sagt, der Schweinebraten sei köstlich, ist das eine Lüge. – Also schön den Mund halten und hingebungsvoll seinen Braten kauen!, sonst wird er sowohl aus dem Paradies seiner Redlichkeit als auch aus dem schwiegerelterlichen Paradies vertrieben.

Ein findiger Merkur/Uranus oder Merkur/Jupiter hat stets eine Ausrede parat, dazu gehört nämlich ein flinker Geist, der mit sportlichem Elan Denkbarrieren überwindet und möglichst von einem Hauch inspirierender neptunischer Fantasie umweht wird. Lehrer können davon ein Lied singen. Zu spät kommen, Hausaufgaben nicht gemacht, Stunden geschwänzt – wer kennt das nicht? Nicht jedem fällt so was Geniales ein wie: «Als Älteste von neun Geschwistern muss ich immer alle wecken. Wenn ich da durch bin, sind die ersten drei schon wieder eingeschlafen.» Natürlich kann man dann nicht pünktlich zum Unterricht erscheinen! Ganz spitzfindig ist jemand, der sein Nichterscheinen bei einem Treffen so erklärt: «Im Aufzug stand ‹Nur für 4 Personen›, aber ich war allein …» Das ist weder eine Lüge, noch eine Notlüge und auch keine Ausrede. Aber was ist es dann? Darauf hat bestimmt unser diebisch lachender Merkur, der Gott der Beredsamkeit (nicht der Redlichkeit!), eine Antwort.

P S: Er wartet immer noch vor dem Aufzug auf drei andere …


 
Barbara Egert,
geprüfte Astrologin DAV; jahrzehntelange Astrologieerfahrung; astrologische Beratungen und Kurse in Berlin; diverse Fachpublikationen; Autorin von Galiastro-Texten; Bücher: «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE (E-Mail: Barbara Egert)