Astrologie Heute Nr. 168 (April 2014)
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Astrologie Heute Nr. 168
April 2014

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 168 bestellen

 

Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 

Mimosen
 
von Barbara Egert
 


 

Das Blümchen «Rühr-mich-nicht-an» steht im zwölften Haus, und durch Stängelchen und Blüten fliessen neptunische Säfte mit ein bisschen Mond und Venus. Diese «gelbe Fee» mit ihrem süsslich-pudrigen Duft ist der Liebling der Zartesten aller Zarten, denn darin erkennen sie sich wieder. Manche zucken ja schon zusammen, wenn sie nur ein klein bisschen böse angesehen werden, andere ziehen sich in sich zurück, wenn ihnen jemand ungebeten zu nahe kommt. Ist ja ihr gutes Recht, finde ich. Jeder hat so seine Schutzhaltung, auch unsere Mimose. Schon bei der kleinsten Berührung senken sich ihre Blätter, bei starker Berührung sogar ihre Blattstiele. Und durch den mit (gutartigen!) Dornen versehenen Stängel sind sie geschützt, auch gegen Regenfälle, Hitze oder Kälte. So einfach ist das bei den menschlichen Mimosen leider nicht!

«Du, seine Schwester, spielst die züchtige Mimose; Und bist – so sauersüss. Du scheinest, – doch sehr lose! Doch stille Wasser sind, so sagt das Sprichwort, tief …» (Molière, «Tartuffe»).

Aha!, so zimperlich sind die Sensibelchen also gar nicht, sie setzen ihre neptunische Tarnkappe auf, schauen verzagt und ganz harmlos auf die Härte der Welt. Kein Wässerchen kann sie trüben, und doch haben sie vielleicht einige «Leichen im Keller» – wenn Venus/Neptun zum Beispiel im achten Haus steht. «Schu, schu, schu, schäm’ dich, alle Kinder sehen dich» ist ein Spruch aus meiner Kindheit. Da fing das Elend schon an … und wieder ist die Mutter schuld.

Du siehst heute aber hübsch aus, sage ich zu einer Bekannten, woraufhin diese ihr Gesicht verzieht und beleidigt fragt, wie sie denn sonst wohl aussähe … – Nun fühle ich mich falsch verstanden und denke: «Das sagst du aber nie wieder zu jemandem!» – Oh je, Zicken und ich. Oder ist das «nur» eine Selbstwertstörung, hat meine Bekannte in ihrer äusseren Erscheinung ihren «wunden Punkt» und reagiert deshalb so empfindlich? Saturn: Du sollst die ganz Sensiblen stärken und nicht schwächen! – «Mach’ dir Saturn zum Freund», sagte meine hellsichtige Tante vor Jahrzehnten, aber wie man das macht, hat sie mir leider nicht gesagt. Auch ihren Rat, wie man am besten mit Neptun und seiner Sensitivität umgeht, hat sie mir vorenthalten.

Es entspinnt sich (Merkur/Neptun) ein netter neuer Mail-Kontakt, und der andere unterschreibt nur mit: «Gruss Paul». Was stört mich daran bloss, das war doch alles ganz herzlich, aber kann er da nicht wenigstens «Herzlichen Gruss» schreiben?

Ich krächze ins Telefon, dass es mir nicht gut gehe, schrecklich erkältet. Warum kommt von der ansonsten so redseligen Gisela (besonders, wenn es um sie selbst geht) nicht mal eine Rückfrage nach meinem Befinden? Empathie ist nicht ihre Stärke, das weiss ich, und warum stört es mich trotzdem? Mimosen reagieren auf (fast) alles so sensibel. Aber man kann ja schlecht seine Planeten aus dem zwölften Haus katapultieren. Im Gegenteil, die sinken da immer tiefer, tauchen sozusagen ab – nach mir die Sintflut.

Ich sehe was, das du nicht siehst – auch nicht, wenn ich dir den Spiegel vorhalte. Aber bin ich dazu da? «Ich schau in den Spiegel und sehe meine Mutter» – und erbleiche vor Schreck. Also lieber mit Scheuklappen durchs Leben gehen, die Kindheit hinter sich lassen. Was vergangen, ist eh vorüber. Ich bin voll cool, nehme ich mir vor, aber gegen die neuen Vorsätze halten die alten Gewohnheiten fest zusammen. Ein alter Schulfreund ist zu Besuch. Jede Minute räuspert er sich. Ich frage, ob er erkältet sei. «Nein, wieso?» – «Ach, ich dachte nur …» Es fehlt nicht mehr viel, und ich fang auch gleich mit dem Räuspern an. «Keep cool», beschwöre ich mich. Wenn ich ein Horoskop und dessen Tücken kenne, übe ich meistens Nachsicht: Der oder die ist eben so und kann wohl nicht anders. Doch was ist bei meinem räuspernden Schulfreund wohl los? Nervöser Tick durch Merkur/Uranus?

Susi hat eine Freundin, und die hat wieder eine Freundin, welche mich anruft: Sie habe gehört und so weiter, ob ich nicht mal gucken könne, was bei ihr gerade los ist, und ihre Geburtsdaten hat sie auch gleich parat. Ich muss jetzt Nein sagen, denke ich, ich bin zwar hochsensibel und meinetwegen auch eine Mimose hoch drei, aber kein kostenloses astrologisches Informationsbüro. Doch bevor ich ansetze, um ganz cool meine Ablehnung zu formulieren, sagt sie mir noch: «Ich bin ja sooo sensibel …!»
 


Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung, lebt und arbeitet in Berlin; Bücher: «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009), «Wenn die Kindheit Schatten wirft. Beziehungen. Hochsensibilität. Narzissmus» (2014); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE (E-Mail: Barbara Egert)