Astrologie Heute Nr. 169 (Juni 2014)
Bild vergrössern
Astrologie Heute Nr. 169
Juni 2014

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 169 bestellen

 

 

Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 

Frühstück mit Saturn
 
von Barbara Egert
 


 

Ohne ein, zwei Tassen Tee am Morgen bin ich alles andere – nur nicht ich selbst. Ich setze also den Wasserkocher auf, höre sein vertrautes Summen, öffne das Fenster und lausche einer verliebten Drossel. Oder ist es eine Amsel? Egal. Und da ist sie zum ersten Mal, die Stimme aus dem Off: «Gar nicht egal, entweder–oder!» Einfach ignorieren! Das Wasser kocht weiter, erreicht seinen Siedepunkt, und dann stellt sich das Ding aus, mit einem energischen «Klick» – wie immer.

Und nun kommt Saturn ins Spiel: «Los, Tee aufgiessen!», faucht er mich an. So ein Ton verfängt bei mir gar nicht, und ich lausche weiter dem Gesang der Drossel, Amsel oder was auch immer. Nach einer Weile verstummt sie, ah, wahrscheinlich fliegt sie jetzt frühstücken. Und ich – da war doch noch was? – starte erneut den Wasserkocher. «Na, endlich, wird ja auch Zeit!» Da ist er wieder, Saturn mit seinem unverkennbar barschen Ton. Und ich ahne, ich werde seine Stimme heute – Saturday – noch oft zu hören bekommen. Und richtig: Gerade als ich mit dem Frühstück beginne. «Lass den Honig weg!» – Wie bitte? – «Weder Prüf- noch Gütesiegel und vom Imkerverband nicht zertifiziert». Na, das kann ja heiter werden, wenn das so weitergeht. Und es geht so weiter …

Ich ignoriere die Ampel, die auf Rot beharrt, obwohl weit und breit kein Auto in Sicht ist, überquere die Strasse also auf römische Art («Ampeln sind nützliche Objekte zur Früherkennung von Farbblindheit»), und wer starrt mich von der gegenüberliegenden Seite mit zornigen Augen an? – Genau, Saturn als älterer Herr verkleidet, typischer Rentnerlook, grau in grau. Und ich weiss auch schon, was er gleich sagen wird: «Wenn das jeder so machte!» Ja, dann bricht ein Verkehrschaos aus, danach triumphiert die Anarchie, und dann geht die Welt unter, zumindest die zivilisierte. «Und das wollen Sie doch nicht, oder?»

Tja, was soll man darauf schon antworten? Etwa so?: «Ich sehe ja ein, dass es gewisse Regeln geben muss; wenn aber die Regel zur Regel wird und die Ausnahme chancenlos bleibt, dann stimmt da was nicht. Oder? Und übrigens, was für ein Glück, dass nicht die ganze Woche aus Saturdays besteht, mir nicht die ganze Zeit einer mit Imkerzertifikaten das Frühstück vermiest und ich manchmal ungehindert jede Strasse überqueren kann, ob bei Rot, Grün, Gelb oder Himmelblau!» Keinerlei Reaktion des älteren Herrn in Grau. Ich ahnte es: Der ist absolut ironie-resistent. Und so jemand soll, lächle ich ihn an, im alten Rom die Saturnalien begründet haben? Worauf er nur lakonisch erwidert: «Alles ändert sich eben, c’est la vie.»

Das ist ja ganz was Neues! War ich doch bisher der Meinung, gerade bei Saturn bliebe immer alles beim Alten. «Leider, seit der Entmachtung durch meinen jüngsten Sohn habe ich ein Schattenproblem, eine, nun ja, Regel-Inkontinenz, einen gewissen Kontrollverlust.» Nun, wenn selbst Götter Probleme haben, ist der Himmel nicht ganz verloren.

Mein Handy klingelt: «Hier Plumbum!» Zum Glück für uns Sterbliche bedienen sie sich mehr und mehr unserer neusten Technologie, vielleicht aber auch nur eine Modifikation ihrer uralten Überwachungsstrategie. Plumbum – Moment mal, das ist doch Blei, und Blei ist Saturn zugeordnet. Er ist es also, diesmal aus dem Handy-Off: «Südamerikanische Killerbienen verdrängen friedliebende Honigbienen. Der Imkerverband rät vom Verzehr solcher Sorten ab. Am besten fragen Sie Ihren Arzt, Apotheker oder besser noch den Filialleiter Ihres Supermarktes.»

Alles gut gemeint, aber mehr und mehr schwindet mein Appetit. Am besten, ich lege einen Fastentag ein und hoffe, dass morgen wieder alles wie immer ist. – Immerhin exzellent recherchiert! Wahrscheinlich benutzten die da oben eine werbefreie Suchmaschine, denn kaum vorstellbar, dass Uranus etwa für Blitzableiter inseriert, Neptun für Heilquellen und Merkur für Mentaltraining.

Nachtrag: Zum Glück gibt’s nicht nur Saturdays. Heute ist Sonntag, und die Sonne scheint, als am Morgen die immergleiche Zeremonie beginnt: Wasser aufsetzen, das vertraute Summen, draussen Amsel, Drossel, was auch immer. Der vertraute Klick des Kochers, gleich gibt es Frühstück. Diesmal eine freundliche Stimme aus dem Off: «Noch etwas vom goldgelben Honig gefällig?» Alles wie immer – so lässt es sich leben. Sonntag, Jupiters Tag? Ja, so wird es wohl sein. Ganz aus der Ferne, barsch wie gestern, doch schon etwas milder wie einer, der seine Macht schwinden fühlt: «Aber nicht übertreiben!» – Ich ignoriere das einfach und nehme noch etwas vom unreglementierten goldgelben Honig.

 


Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV; jahrzehntelange Astrologieerfahrung; astrologische Beratungen und Kurse in Berlin; diverse Fachpublikationen; Autorin von Galiastro-Texten; Bücher: «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE (E-Mail: Barbara Egert)