Astrologie Heute Nr. 172 (Dezember 2014)
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Astrologie Heute Nr. 172
Dezember 2014

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 172 bestellen

 

 

Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 

Immer diese Sterne …
 
von Barbara Egert
 


 

Hat man erst mal damit angefangen, kann man nicht mehr damit aufhören. Nein, ich meine nicht Schokolade, sondern die astrologische Sicht der Welt. Die beginnt schon morgens in der Küche, wenn ich eilig die Milchtüte öffnen will, wobei ich doch weiss, dass das «eilig» gar nicht geht, und alles schwappt über Tisch und mein T-Shirt, dann kommt automatisch die Warnung: Du hast heute Mars auf Sonne, halt dich zurück!

Im Fahrstuhl begegnet mir ein Nachbar, der sich emotional immer so aufregt, dass er nur Mond/Pluto im Horoskop haben kann. Als nächstes steigt Merkur/Saturn zu, ohne ein Guten Morgen, nur ein stummes Nicken. An der Haustür läuft mir Merkur/Pluto in die Arme, hält mich fest, um mir die coolste Neuigkeit überhaupt zu erzählen. Winke, winke und ciao – ich bin weg, keine Zeit …

Ich muss zu Evi, meiner gleichmütigen Mond/Jupiter-Frohnatur, deren Entrüstung am Telefon nicht zu bändigen war: Sie kochte vor Wut, war empört, fassungslos, aufgewühlt, ausser sich. «Also, ich muss schon sagen, das lasse ich mir nicht bieten! Ist das Pluto!?», will sie wissen. Und worum geht es? Es geht um ihren Ex, der so taktlos war, ihre Tochter seiner neuen Tussi mit den Worten zu präsentieren: «Du kannst zu ihr Mama sagen, dann hast du gleich zwei.» Kein Wunder, dass Evi vor Empörung kocht. Das ist sicher nicht die feinste Art der Kindererziehung, aber da Mark oftmals wie ein Elefant im Porzellanladen agiert und sich bei nichts mehr denkt als eben nötig (Mars und Venus in Widder), überrascht mich das nicht sonderlich.

Ganz wie Rita, seine Neue, die potenzielle Mama Nummer 2. Sie ist so zart besaitet, dass alles Irdische ihr fremd ist. «Mach das mit deiner Ex aus», flötet sie und schwingt sich in himmlische Höhen des Venus/Neptun-Reiches. Böse Zungen behaupten allerdings, sie stehle sich stets davon, wenn es brenzlig wird. Scheint in ihrer Familie häufig vorzukommen. Vor einer Woche erst hat sich ihr Bruder – mit Pluto im Quadrat zu Jupiter und Sextil zur Sonne – endlich geoutet; nein, nicht sexuell, sondern gegenüber seinem Rechtsanwalt, wegen einer Steueroase in der Karibik. Zugegeben, ein Reizthema, das jeden fassungslos macht, dem es nicht mal gelingt, einen harmlosen Urlaub als Dienstreise zu deklarieren.

Evis Sturm der Entrüstung legt sich erst, als sie mir von Robert erzählt, der sie heute Abend zum Italiener eingeladen habe, und ob ich ihr bei der Kleiderfrage behilflich sein könne. Ihre Wassermann-Sonne und Venus in Steinbock im Quadrat zu Jupiter haben ihr einen etwas abwegigen Modestil geschenkt – so angezogen ginge ich nicht mal in den Keller.

Nach diesem Ausflug brauche ich Entspannung durchs Internet. Ich gehe nicht etwa in eins der Psychoforen, wo einem die Fetzen um die Ohren fliegen und man bei einem Widerwort sofort rausfliegt. Wenn man die Umwelt, also auch das Internet, astrologisch wahrnimmt und sich an das vertrauliche Du der Foren gewöhnt hat, erlebt man Kämpfe zwischen quasi allen Planetengöttern, meist aber ist Pluto dort in Höchstform, duelliert sich mit allem und jedem, spannend wie ein Krimi und voller Intrigen. Jeder gegen jeden, oder alle gegen einen, meist den Neuankömmling, der nur mal nachfragt, ob er hier richtig sei, denn sein Laptop spinne. Jetzt schlägt die Stunde der Experten: Jeder weiss alles besser, und der arme Neue stiehlt sich besser heimlich, still und leise davon. Na, dann kann ich doch gleich zu den Tulpenzüchtern gehen. Gesagt, getan.

Doch bei den Blumenzwiebelveredlern geht es auch nicht gerade zimperlich zu. Dabei dachte ich, dass diese Spezies bestimmt viel geduldige und besonnene Erde im Horoskop hat. Einer hat das Foto seiner neu gezüchteten Sorte hochgeladen. «Sieht eher nach Ginster aus. Bist du sicher, dass du nicht farbenblind bist?» – «Lass es bleiben und fang erst mal mit Gänseblümchen an.» Ein anderer: «Sieht mir eher wie westindisches oder guatemaltekisches Lemongras aus.» Der Administrator, sicher mit Merkur in Waage, zum Ausgleichen verdammt, versucht zu vermitteln: «Vielleicht versuchst du es mal im Süssgräserforum.» – Allgemeine Erleichterung: «Endlich ist der Unkrautschreck weg!» Die Tulpler sind wieder unter sich.

Ein alter Song fällt mir ein: «Tiptoe Through the Tulips». Ach, das waren noch Zeiten! – Nein, die Welt ist nicht schlecht, nur die Umgangsformen wechseln ständig. Und wenn einem die astrologische Sicht der Dinge mal zu viel wird, bleiben einem ja noch der gesunde Menschenverstand und ein bisschen Schokolade.
 


Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung, lebt und arbeitet in Berlin; Bücher: «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009), «Wenn die Kindheit Schatten wirft. Beziehungen. Hochsensibilität. Narzissmus» (2014); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert