Astrologie Heute - Themen der Zeit

 

Zum Tod der Astrologin Louise Huber am 13. Januar 2016

«Alles muss im Einklang sein mit dem Ganzen, sonst lasse ich die Finger davon»

(Interview mit Louise Huber aus ASTROLOGIE HEUTE Nr. 104, Aug/Sept. 2003)

von Verena Bachmann

11. Februar 2016

Die bedeutende deutsch-schweizerische Astrologin Louise Huber wurde am 10. Mai 1924 um 3.15 Uhr in Bamberg geboren. Nach traumatischen Kriegserfahrungen beginnt sie sich für die geistigen Seiten im Menschen zu interessieren. Sie kommt in den Kreis um Graf Dürckheim und lernt Astrologie und die Lehren von Alice Bailey kennen. 1952 begegnet sie dem Astrologen Bruno Huber. Beide sind stark voneinander fasziniert. Sie kommen zusammen und heiraten am 21. März 1953. Danach bauen die beiden den Genfer Ableger der Arkan-Schule (nach Alice Bailey) auf. Ab 1958 arbeiten sie beim Arzt und Psychotherapeuten Roberto Assagioli in Italien an dessen Buch «Psychosynthese» mit. Es entsteht die Idee einer Verknüpfung von Astrologie und Psychosynthese, was zu vielen neuen astrologischen Anwendungsmethoden führt, die das Ehepaar ab 1964 in Zürich in astrologischen Beratungen praktisch umsetzt. Ihr umfassendes astrologisches Deutungssystem nennen sie «Astrologische Psychologie» (gängig als «Huber-Schule» bekannt), und sie gründen das Astrologisch-Psychologische Institut (API) in Adliswil/Schweiz, wo sie über Jahrzehnte unzählige Schülerinnen und Schüler in ihrer astrologischen «Huber-Methode» unterweisen.

Louise Huber ist am 13. Januar 2016 in Salzbergen/Niedersachsen (gemäss Astro-Wiki um 12.15 Uhr) verstorben. In ASTROLOGIE HEUTE Nr. 104 (Aug./Sept. 2003) haben wir ein Interview von Verena Bachmann mit Louise Huber abgedruckt. Nachfolgend publizieren wir diesen Artikel, welcher viele Einsichten in Leben und Denken dieser astrologischen Pionierin vermittelt.

 
Louise Huber †, 1924–2016
(Foto von 1996, © Louise Huber)

 

Hinweis: Dieses Interview führte Verena Bachmann am 26. Februar 2003


ASTROLOGIE HEUTE: Louise, wenn ein Mensch, der nichts von dir weiss, dich fragen würde: Wer bist du? – was würdest du ihm antworten?

Louise Huber: Zuerst würde ich natürlich sagen: Ich bin ein Stier! [lacht] Und weil meine Sonne auf der Spitze des zweiten Hauses steht [siehe Fig. 1], bin ich quasi ein doppelter Stier, der besonders kraftvoll und stabil ist, Ideen hat, sich einer Sache ganz hingeben kann, sich mit ihr identifiziert und sie dann voll und ganz durchzieht. Schwierigkeiten und Angriffe, die kann ich alle überwinden – was ich auch immer wieder getan habe in meinem Leben.

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Louise Huber
10. 5. 1924, 3:15 LT, 2:15 GT
Bamberg, D (49N53, 10E53)
Koch

Ist das eines deiner Lebensthemen – Hindernisse überwinden?

Huber: Hindernisse reizen mich besonders, weil ich sie bewältigen will. Das Engagement – für meine Aufgabe und das, was ich will, voll und ganz einzutreten – und die Überwindungskraft, die ich innerlich spüre, sind sozusagen mein Markenzeichen.

Wenn ich dies mit deinem Horoskop in Bezug bringe, so fällt mir nicht nur der Stier auf, der immer «dranbleibt», wenn er etwas in Angriff nimmt, sondern auch dein Widder-AC, der den Dingen aktiv begegnet, sowie der zu ihm gehörende Mars, der im Aspekt zu Pluto steht, was wiederum etwas Absolutes gibt, nach dem Motto: Wenn schon, denn schon!

Huber: Oder mit Leib und Seele! Und mit der ansonsten nicht aspektierten Pluto/Mars-Verbindung handelt es sich auch um eine besonders starke männliche Kraft. Dieser Aspekt bedeutet auch, dass wenn ich motiviert und von einer Sache überzeugt bin, mich kein Mensch mehr davon abbringt. Man spricht allgemein vom «sturen» Stier, aber in Wirklichkeit handelt es sich um die Fähigkeit, an einem Ziel festzuhalten und sich nicht zum Nachgeben verführen zu lassen. Und der Pluto/Mars-Aspekt liefert dazu noch die Motivationskraft.

Was ist deine Motivation?

Huber: Pluto ist für mich ein Evolutionsplanet. Die Evolution ist der grosse Rahmen, der alles umfasst, der Sinn, für den ich mich voll und ganz einsetze. Alles muss im Einklang sein mit dem Ganzen, sonst lasse ich die Finger davon.

Wie kommst du in Kontakt mit dem Ganzen?

Huber: Wir – also mein verstorbener Mann Bruno und ich – waren drei Jahre lang in der Arkanschule *1 in Genf. Ich habe die Alice-Bailey-Schulung der esoterischen Psychologie durchlaufen. Dort wird einem vorgeschlagen, jeden Morgen 20 Minuten lang zu meditieren und sich mit dem göttlichen Plan zu verbinden. Und das habe ich praktiziert.

Meditierst du auch heute noch?

Huber: Ohne kann ich gar nicht leben! [lacht] Da spiegelt sich wiederum die Hartnäckigkeit meines Stier-Zeichens. Wenn ich einmal erkannt habe, dass etwas wichtig ist, dann mache ich es stur jeden Tag. Ich sitze dann draussen auf meinem Balkon, damit ich mit der Natur, die mir sehr wichtig ist, verbunden bin. So fliessen die Kräfte der Natur mir zu, und damit baue ich mir meine Reserven auf. Das tue ich nun jeden Tag seit 60 Jahren. Die Kontinuität hält den Kanal rein und vital … Ich sage jeweils vor dem Meditieren: So, jetzt muss ich meinen Kanal wieder putzen, damit er sauber bleibt.

Ich möchte mit dir zurück an den Anfang deines Weges gehen. Wie kamst du zur Esoterik?

Huber: Das hatte mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun – ich war vier Jahre im Krieg. Ursprünglich wollte ich Sport studieren, doch dann verlangte man den totalen Einsatz aller. So wurde ich zuerst im Arbeitsdienst eingeteilt, später im Kriegshilfsdienst, wo man mich zur Luftwaffe verpflichtete. Ich war dann bis zum Schluss dabei und geriet in englische Gefangenschaft. Dort, als ich sah, wie die ganze Ideologie des Dritten Reiches in sich zusammengefallen war, hatte ich grundlegende Einsichten in den Sinn des Lebens und in das Wesen des Menschen.

Alles war buchstäblich am Boden zerstört …

Huber: Ja, und das war der Anlass, mich mit geistigen Themen zu beschäftigen. Ich war damals noch in erster Ehe in Stuttgart verheiratet – mit einem geistig orientierten Mann, Vegetarier, der eifrig daran war, seinen Körper und seine Seele zu reinigen. In Stuttgart war damals die geistige Elite Deutschlands versammelt, und ich hatte so die Möglichkeit, viele Vorträge zu hören.

Der äussere Zusammenbruch führte also quasi zum inneren Aufbruch?

Huber: Ja. Nachdem alle Ideale zusammengebrochen waren, war da ein Dürsten nach geistigen Dingen vorhanden, nach Antworten auf Fragen des Seins, nach neuen Idealen. Ich habe dann während fünf Jahren beinahe jeden Tag einen Vortrag gehört, das war wunderbar. Und so habe ich die Astrologie, die Arkanschule von Alice Bailey usw. kennengelernt. Ich war damals im Kreis um Graf Dürckheim mit dabei, zu dem auch Dr. Endres und andere bekannte Persönlichkeiten zählten.

Und was kam nach den fünf Jahren?

Huber: Ich hatte natürlich nach all dem Gehörten den Kopf voll von Idealen – und dann kam Bruno Huber.

Wie das?

Huber: Er klopfte an meine Tür! [sinniert] … Die Begegnung mit Bruno war der wesentlichste Wendepunkt in meinem Leben!

Warst du damals noch verheiratet?

Huber: Ja – jene erste Ehe war aber nur eine «Josefsehe» *2 gewesen, sie hatte mit einer persischen Lehre zu tun.

Wie ging es weiter mit Bruno und dir?

Huber: Bruno blieb drei Wochen bei mir. Wir verstanden uns unglaublich gut. Ich habe dann alles, was in meinem Kopf war, förmlich über ihn ausgeleert: Alles, was ich an Wissen gesammelt hatte, gab ich an ihn weiter. Und er war erstaunlicherweise ganz offen dafür! Seine Mutter war ja ebenfalls Rosenkreuzerin und Arkanschülerin gewesen und hatte versucht, ihn auf den geistigen Weg zu führen … Ihr ist es nicht gelungen, erst von mir konnte er es annehmen.

Du hast ihn mehr überzeugt.

Huber: Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, dass er zuvor gegen alles Esoterische eingestellt war, dass er sogar eine Zeit lang Atheist gewesen war. Das erfuhr ich erst später. Gerade seine Offenheit mir gegenüber für das Esoterische war für mich der Hauptankerpunkt, der mich an ihn band und mich bestärkte, mich auf ihn einzulassen.

Du hast ihm die esoterische Welt aufgeschlossen – und was gab er dir?

Huber: Er gab mir Orientierung – mit seinem scharfen Verstand konnte er unterscheiden, und das erlaubte mir, Ordnung zu schaffen in meiner Fülle an esoterischem Wissen.

In deinem Horoskop stehen Venus und Pluto beisammen, und Saturn steht im siebten Haus: Ich denke, dass eine Partnerschaft für dich von grosser Verbindlichkeit ist.

Huber: Was meinst du mit «Verbindlichkeit»?

Im Sinne von Engagement und Verpflichtung.

Huber: Das gefällt mir besser, weil ich so total bin. Wenn ich etwas als «meinen Auftrag» empfinde, dann bin ich mit Haut und Haaren dabei. Und die erste Begegnung mit Bruno in diesem geistigen Austausch war für mich wie ein Signal für den gemeinsamen Auftrag.

War dir das von Anfang an klar?

Huber: Ja. Denn ein halbes Jahr vorher hatte ich bei einer Meditation eine Vision: Ich sah mich in einer Klasse sitzen, und zwei Reihen vor mir sass ein junger Mann, er drehte sich um und schaute mir in die Augen … Als Bruno dann sechs Monate später vor meiner Tür stand, wusste ich: Das ist der Mann aus meiner Vision! Die Begegnung war für mich wie ein Déjà-vu – unglaublich!

Eine starke Erfahrung …

Huber: Ja. Dass ich ein halbes Jahr vor unserer ersten Begegnung, als ich von Brunos Existenz noch gar nichts wusste, eine Botschaft erhalten hatte, war für mich der Hinweis auf ein Geschehen im göttlichen Plan. Und da war ich natürlich mit meinem Pluto voll und ganz dabei: Innerhalb von drei Monaten war ich geschieden und wieder verheiratet. Wenn ich etwas so klar will, dann erreiche ich es auch.

Neben deiner starken Willensseite, die man von aussen in erster Linie an dir sieht, findet sich in deinem Horoskop auch eine weiche Seite, die sehr feinfühlig und empfindsam ist. – Wie bringst du diese beiden Seiten ins Gleichgewicht?

Huber: Du sprichst von meinem Krebs-Mond …

… unter anderem.

Huber: Ich musste lernen, mich diesbezüglich zu schützen, denn ich habe immer wieder Verletzungen erlitten – meist in der Liebe, in Beziehungen. Schon im Krieg, als der Alterspunkt über meinen Pluto lief – das war im Oktober 1944 –, ist mein damaliger Verlobter tödlich abgestürzt. Später, in der Gefangenschaft, erlebte ich eine sehr schmerzliche Beziehung … [sinniert] Doch zu viel will ich davon nicht reden. Der Tod war immer dabei, und die Trennungsthemen waren für meinen Krebs-Mond und die Stier-Sonne sehr schmerzhaft.

Wie hast du das verarbeitet?

Huber: [seufzt]: Ich weiss es nicht … ich bin immer noch daran … die Verletzlichkeit bleibt. Wahrscheinlich brauche ich diese feine, empfindsame Mond-Komponente für meine seelische Entwicklung – damit ich nicht zu hart und zu kraftvoll bin. Denn wenn ich nur diese männliche, harte Frau wäre, wäre ich zu einseitig. Das ist der Ausgleich von Yin und Yang. Wenn ich beide zusammen als mein Wesen akzeptiere, dann sind sie auch lebbar.

Kannst du deine weiche, sensible Seite leben, ohne dass es schmerzt?

Huber: Fast nicht! Mein Krebs-Mond und meine Krebs-Venus haben auf der Krebs/Steinbock-Achse – auf der Individualachse 4/10 – die Möglichkeit, durch totale Hingabe und absolute Monogamie den Individuationsprozess zu unterstützen. Hier musste ich mir die Liebe selbst erarbeiten. Das heisst symbolisch, ich musste lernen, mir die «Milchflasche» selbst zu geben und nicht zu erwarten, dass ich sie von anderen bekomme. Und das war mein Prozess. Wenn man das gelernt hat, ist auch die Steinbock-Seite integriert. Danach strebte ich – das heisst, das Schicksal brachte mich dazu, dass ich nach dieser Unabhängigkeit streben musste! Mit einem Bruno Huber verheiratet zu sein, bringt einen dazu, denn er war ein überaus freiheitlich gesinnter Mensch …

Im Gegensatz offenbar zu dir: Du bist – wenn ich dein Horoskop betrachte – weniger ein Freiheitsmensch als mehr ein Engagementmensch.

Huber: Und da lag für mich denn auch die grosse Chance zu einer Entwicklung. Was ich mit meinem Saturn am Talpunkt im siebten Haus von Bruno verlangte, das erhielt ich nicht. Ich kam mir manchmal vor wie ein Schreier in der Wüste. Wenn ich ihm Vorschriften oder Vorwürfe machte, wenn ich Anschuldigungen erhob, so reagierte er einfach nicht. Er hat sich nie erpressen oder bestechen lassen, sich auch nie mit Schuldzuweisungen bewegen lassen – das ging einfach nicht!

Dieser Konflikt hat euch aber nicht auseinander gebracht …

Huber: Wir haben das Auge auf das Übergeordnete gerichtet. Die kleinen Krisen wurden immer dem grösseren Ziel, der grossen Vision untergeordnet: API aufzubauen.

Trotzdem dürfte es für dich nicht einfach gewesen sein, keine Reaktion auf deine Ansprüche zu erhalten.

Huber: Ja, aber das betraf ja nur diese Partnerschaftsspielchen. Ein Saturn wie meiner im siebten Haus, der macht Vorwürfe und Vorschriften, der will Abgrenzung, Sicherheit und Bestätigung. Und diese Spielchen habe ich versucht mit Bruno zu spielen – und er hat nicht darauf reagiert. Dadurch musste ich es innerlich bewältigen.

Du musstest dir also selber Sicherheit geben?

Huber: Ja … durch das Verzichten, durch Transformation der Ansprüche.

Ein schwieriger Weg …

Huber: … und ein langer. Doch jetzt bin ich bald 80, und wenn ich zurückblicke, muss ich sagen: Es war in Ordnung so, obwohl es schmerzlich war. Es hat dazu geführt, dass ich Dinge im Sinne einer Aufgabe bewältigen konnte, die ich sonst nie fertig gebracht hätte.

Wie hast du es geschafft, immer wieder den nächsten Schritt zu tun, auch wenn es schmerzhaft war?

Huber: Das ist mit meiner esoterischen Arbeit zu erklären. Durch die Arkanschule und die Alice-Bailey-Arbeit wusste ich, dass ich einen Auftrag hatte, durch meine Meditationen wusste ich, wie ich diesem Ziel nachgehen musste. Das war übergeordnet. Der esoterische Saatgedanke des Stiers lautet ja: «Ich sehe – und wenn das Auge geöffnet ist, ist alles erleuchtet.» Das lässt mich auch immer wieder das Positive und Entwicklungsfördernde in allem erkennen.

Dies kann man auch an deiner Mondknoten-Achse ablesen: Sie beginnt im Ideal und endet im Alltag, wo es gilt, im Kleinen umzusetzen.

Huber: Das ist auch meine Stärke.

Ein anderer Aspekt des Stier-Zeichens ist das Thema Werte.

Huber: Bleibende Werte! – Ich habe zusammen mit Bruno ein Imperium aufgebaut. Wir waren weltweit aktiv und sind heute in verschiedenen Kontinenten vertreten. Unsere Bücher sind in zwölf Sprachen übersetzt … Das Internationale hat uns verbunden – mein Jupiter und seine Sonne, beide im Schütze-Zeichen im neunten Haus, haben uns beflügelt.

Ihr habt zusammen das Astrologisch-Psychologische Institut geschaffen und entwickelt. Was waren die wichtigen Stationen oder Wendepunkte auf eurem Weg?

Huber: Es gab immer wieder Wendepunkte, wo wir an unsere existenziellen Grenzen kamen. Als wir zum Beispiel 1956 – unser Sohn Michael war gerade acht Monate alt – nach Genf gerufen wurden, um beim dortigen Aufbau des dritten Hauptzentrums der Arkanschule mitzuhelfen, erhielten wir vorerst nur ein Gehalt für ein Vierteljahr zugesichert: 360 Schweizerfranken im Monat. Wir mussten aber alle unsere Brücken in Zürich abbrechen. Unsere Freunde sagten zu uns: Ihr spinnt, wegen drei Monaten alles aufzugeben. Trotzdem haben wir es getan, weil wir den inneren Auftrag spürten.

Und nach diesen drei Monaten?

Huber: Da ergaben sich weitere Möglichkeiten … und schliesslich sind wir drei Jahre dort geblieben. Doch die Entscheidung, dahin zu gehen, war sehr hart, gerade für mich als Stier – alle Sicherheiten aufzugeben und ins Nichts hineinzugehen. Als wir nach drei Jahren zu Roberto Assagioli nach Florenz zogen, um ihm beim Schreiben seines Buches «Psychosynthese. Prinzipien, Methoden, Techniken» zu assistieren, war es wiederum das Gleiche: Assagioli hatte ebenfalls nur für drei Monate Geld, um unseren Lebensunterhalt zu sichern. Das war für meine Stier-Natur nicht einfach, während Bruno als Schütze immer optimistisch blieb.

Aber diese Zeit bei Assagioli war doch sehr lehrreich?

Huber: Ja. In Florenz waren wir in einem anregenden geistigen Milieu aufgehoben. Es fanden zum Beispiel jeden Morgen um zehn gemeinsame Meditationen mit Roberto Assagioli statt, es gab Gruppentherapien, Bruno entdeckte den Farbdialog, und wunderbare Bilder entstanden. Und durch die Arbeit am Buch, die Forschungsarbeit über die Häuser anhand von Fallbeispielen aus Assagiolis Archiv sowie den Kontakt mit seinen Patienten machten wir beide in dieser Zeit einen grossen Lernprozess durch. Assagioli war ja ein Freund von Alice Bailey gewesen und ebenfalls Arkanschüler, was eine wichtige Grundlage seiner Psychosynthese bildete … Ja, es war eine spannende, reiche Zeit in Italien.

Und wie entstand das Astrologisch-Psychologische Institut (API)?

Huber: Damals wussten wir noch nichts vom API. Als wir nach drei Jahren von Florenz weggingen, hatten wir den Auftrag, unseren eigenen Dienstzweig zu finden. Wir suchten zwar, fanden zunächst aber nichts. Zwei Jahre war Ebbe. Bruno versuchte, in Zürich eine psychologische Praxis aufzumachen. Das war jedoch nicht das Richtige. Weil er aber gut lehren konnte und gerne Vorträge hielt – als wir noch keine Schule hatten, hat er die Vorträge mir gehalten [lacht] –, bekamen wir die Anfrage, Astrologie zu unterrichten. Und so begann es …

Wie liefen die ersten Astrologie-Kurse?

Huber: Zunächst hatten wir nur fünf bis zehn Leute. Dann kam mir die Idee, grössere Gruppen zu organisieren, was sich ja auch finanziell mehr lohnte. So habe ich mein Organisationstalent genutzt und das Ganze in die Hand genommen. Schon im Krieg hatte ich das lernen müssen: Wer sich nicht organisieren kann, wird zum Opfer. Und ich war nie ein Opfer. Mein Selbsterhaltungstrieb war geschult, und das kam mir nun zugute.

Ihr habt euch also gegenseitig ergänzt.

Huber: Ja. Das brauchte allerdings einige Zeit, denn wir waren polare Persönlichkeiten, mit völligen Gegensätzen, und das war nicht immer einfach. Geistig waren wir eine Einheit, aber im täglichen Dasein waren wir sehr polar.

Wie hast du diesen Konflikt gelöst?

Huber: Bei mir war zuerst ein Lernschritt nötig. Ich hatte anfangs immer gedacht – und habe dies auch von anderen gehört –, dass ich die Mutterrolle, die ich bei Bruno eingenommen hatte, aufgeben und ihn alles selber machen lassen müsse. Als ich dies tat, ging alles schief … wir hatten viel Streit deswegen.

Wie lange ging das?

Huber: Zehn Jahre haben wir ein Tauziehen veranstaltet: Ich sagte hü, er sagte hott! Es war gar nicht einfach, zu lernen, diese Polarität kreativ umzusetzen. Ich dachte immer, Bruno müsse auf der materiellen Ebene genauso intelligent funktionieren wie ich, und das hat er nicht hingekriegt – er war ja ein ganz anderer Typ. Einmal hatten wir einen furchtbaren Krach, er sagte zu mir: Du hast noch nie etwas für mich getan! Das machte mich stinksauer. Ich hatte so viel für ihn getan, und jetzt behauptete er das! Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Anstatt ihm dauernd mit meinem Saturn Vorwürfe zu machen, wenn ihm etwas nicht gelang, musste ich die Organisation für ihn übernehmen.

Eine gute Einsicht – wann war das?

Huber: Das war 1964 – ein Wendepunkt. Und ich war auch hier ganz radikal und erwartete nichts mehr von ihm in organisatorischer Hinsicht. Ich überliess ihn ganz seiner kreativen Arbeit. Und erst als ich meine Rolle voll bejahte, ist auch das API gewachsen – vorher lebten wir immer am Existenzminimum.

Deine Venus und dein Pluto stehen in Krebs im vierten Haus – das Thema Familie muss also für dich ganz generell wichtig sein?

Huber: Meine Familiengeschichte ist sehr plutonisch: Wandlung, Tod, Krisen, Krieg. Meine Mutter war Rumänin und musste nach Rumänien zurück – sie verliess uns, als ich vier Jahre alt war. Ich hatte aber sechs Geschwister, war also nie alleine, und auch später – in Genf, in Italien, in Zürich – wohnten immer auch noch andere bei uns.

Eine grosse Familie also – über die eigene hinaus …

Huber: Ja, es gab immer Fremde, die bei uns wohnten. Und auch das API ist ja eine Art Familie im grösseren Rahmen … und die API-Familie habe ich immer bemuttert. [lacht]

Bruno ist vor dreieinhalb Jahren gestorben. Das war ein schwerer Verlust für dich und für das API. Wie ist das jetzt für dich, wie gehst du damit um?

Huber: Michael, unser Sohn, hat vieles von dem, was Bruno für das API getan hat, übernommen. Das ist ein grosses Geschenk für mich. Persönlich habe ich meinen geistigen Kontakt zu Bruno. Aber darüber möchte ich nicht reden, nur so viel: Es ist für mich persönlich nicht eine so grosse Lücke, Bruno ist einfach physisch nicht mehr da … Nachdem ich seit meiner Kindheit immer mit Menschen zusammengelebt habe, bin ich jetzt zum ersten Mal in meinem Leben allein. Ich leide aber nicht darunter, im Gegenteil: Ich geniesse das.

Du beschäftigst dich seit Jahrzehnten mit Astrologie und mit Esoterik. Wenn du zurückblickst: Was hat sich geändert?

Huber: Wenn ich vor 20 oder 30 Jahren in meinen Vorträgen von Karma und Reinkarnation sprach, flüsterte mir Bruno jeweils zu: Sag ja nichts davon. Diese Themen waren damals nicht aktuell. Heute hingegen ist die Esoterik auf der Strasse. Schon im Altertum gab es die geheimen Mysterienschulen, Helena Blavatsky nannte 1875 ihr Buch nicht umsonst «Die Geheimlehre». Im letzten Jahrhundert kam Alice Bailey – heute ist das alles öffentlich verfügbar! Das gehört zum göttlichen Plan. Die Menschen sind heutzutage reifer geworden – Gott sei Dank!

Auch die Astrologie hat sich in den letzten 50 Jahren enorm entwickelt, und da hattet ihr ja eine wichtige Rolle inne.

Huber: Astrologie ist ja ein expansives Konzept, sie entwickelt sich immer weiter. Wir haben zwar die Huber-Methode mit ihren besonderen Regeln schon weit entwickelt, aber wir sind immer für Neuerungen offen. Beispielsweise sind wir jetzt daran, die Transformationsthemen zu integrieren.

Was sind Transformationsthemen?

Huber: Diese befassen sich mit einem vierstufigen Entwicklungsprozess. Dabei werden alle Elemente des Horoskops auf vier Stufen gedeutet – physisch, emotional, mental und seit neuer Zeit auch auf der vierten Transformationsstufe. Wir gehen also von der Vierdimensionalität aus und deuten zum Beispiel Planeten nicht nur materiell, sondern auch psychisch und mental sowie auf der Transformationsebene. Dieses Thema wurde bereits in unserem letzten Buch «Planeten als Funktionsorgane» *3 behandelt, weil die Menschen heutzutage die Vierdimensionalität besser begreifen als früher. Das polare Denken von Gut und Böse wird weitgehend abgelehnt, die Menschen interessieren sich mehr für die Entwicklung, für den Sinn des Ganzen.

Wie seid ihr zu diesem System der Vierdimensionalität gekommen?

Huber: Durch die Konzepte von Alice Bailey, die sie in ihren Abhandlungen über die sieben Strahlen und in anderen esoterischen Werken veröffentlicht hat.

Ihr habt also die esoterischen Konzepte von Alice Bailey in die Astrologie umgesetzt?

Huber: Das war immer unsere Fundgrube – ebenso wie Assagiolis Psychosynthese. Und wie bereits «Der Tibeter» *4 von drei Horoskopen spricht, so haben auch wir drei Horoskope, mit denen wir arbeiten. Das war für mich ein Beweis, dass das, was wir tun, richtig ist. Ein weiterer sind die Aspektbilder: Ich habe zum Beispiel ein viereckiges Aspektbild, Bruno hat ein dreieckiges. Zuerst wollte ich Bruno immer zum Viereck machen – und er wollte mich zum Dreieck machen. Erst als wir beide begriffen, dass jeder sein ganz eigenes Aspektbild leben muss, konnten wir kreativ werden. Aus dieser Erfahrung heraus können wir unsere Schüler nun bereits von Anfang an instruieren, dass man das Aspektbild nicht manipulieren oder ändern darf.

Und was ist der Grundsatz eures Konzeptes?

Huber: Unsere Arbeit und unser astrologisches Konzept zielen darauf hin, dass der Mensch sich selber heilt und erlöst. Der Erfolg zeigt sich an unseren Schülern: Nach drei Jahren Ausbildung sind sie ganz andere Menschen – ohne dass wir auf ihre Entwicklung manipulativ eingewirkt hätten! Es geschieht allein durch das astrologisch-universelle Konzept.

Und warum nennt ihr euer Konzept «Astrologische Psychologie» und nicht «Psychologische Astrologie»?

Huber: Unsere Astrologie ist eine Psychologie perse. Darauf hat Bruno immer grossen Wert gelegt. Wir ziehen also keine methodischen Ansätze von Jung, Adler oder wem auch immer hinzu. Das Konzept, das Bruno entwickelt hat, ist eine psychologische Methode, weshalb wir sie «Astrologische Psychologie» nennen. Die Vertreter der psychologischen Astrologie demgegenüber versuchen, Jungsche Konzepte oder Skript- und Transaktionsmethoden usw. in ihre Astrologie einzubringen. Ich sage jeweils zu meinen Schülern: Wir sind die astrologische Psychologie – die psychologische Astrologie, das sind die anderen.

Steht da eine Wertung dahinter?

Huber: Nein. Wenn wir vom Evolutionsgedanken ausgehen, hat doch jeder seinen Platz … Die Astrologie ist ja so vielfältig. Du hast da deinen Platz, ich habe meinen Platz, Liz Greene hat ihren Platz, und sogar Elizabeth Teissier hat ihren Platz … Ab einem gewissen Punkt musst du nicht mehr verurteilen und jene angreifen, die nicht das Gleiche denken wie du – oder?

Da stimme ich dir vollumfänglich zu!

Huber: Trotzdem ist auch die Polaritätsphase – und alle Entwicklungen kennen sie – wichtig, in der du zuerst einmal auf die anderen schiesst. Das gehört mit zum dreistufigen Prozess: Die erste Stufe ist «Blindheit», die zweite «Polarisierung» und erst die dritte das «Verständnis». [lacht]

Wenn du nun vorausschaust: Was ist für dich noch wichtig?

Huber: Das API zu erhalten, es so zu hinterlassen, dass es von alleine weiter wächst. Darum bin ich auch immer noch so aktiv. Ich bin mir aber noch nicht klar in meiner Vision, ob das API als Institution überdauern soll oder nur der Geist des API.

Wie sieht es aus, wenn der Geist des API überdauert?

Huber: Das bedeutet, dass möglichst viele Menschen das organische Konzept der Astrologischen Psychologie im Einklang mit dem Evolutionsgedanken anwenden. So können viele davon profitieren, ganzheitlicher zu leben, zu denken und andere zu verstehen. Dadurch geschieht eine Art Bewusstseinserweiterung, ohne dass diese vom API als Institution abhängig wäre. API kann als Konzept von anderen übernommen werden, denn es ist systematisiert, damit es jeder anwenden kann.

Und was geschieht mit dem Institut?

Huber: Ich weiss nicht, wie lange das API noch bestehen wird, das ist Michaels Sache – und die meiner Enkel … Ich überlasse das der göttlichen Regie. Ich habe meinen Auftrag erfüllt und kann auf ein erfülltes Leben zurückblicken.

Welchen Wunsch hast du noch für dich persönlich?

Huber: Ich habe ja eigentlich schon drei Inkarnationen gehabt in diesem Leben und werde jetzt bald 80 – was will ich noch mehr? Vielleicht kann ich noch verinnerlichen, was ich in meinem Leben alles gemacht habe.

Wenn ein junger Mensch dich fragen würde, warum er Astrologie studieren solle, was würdest du ihm antworten?

Huber: Dass Astrologie eine Lebenshilfe hoch drei sei.

Louise, herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch.
 


Fussnoten

*1  Die Arkanschule ist eine «Ausbildungsstätte, in der Meditationstechniken und Methoden zur Entwicklung des geistigen Potenzials vermittelt werden». Sie wurde 1923 von Alice A. Bailey gegründet und besitzt noch heute Zentren in Genf, London und New York.

*2  Josefsehe: Ehe ohne Sexualität.

*3  Bruno und Louise Huber: «Planeten als Funktionsorgane. Fähigkeiten und Werkzeuge der Persönlichkeit», API-Verlag, Adliswil/Schweiz 2002.

*4  «Der Tibeter» ist ein «Eingeweihter» der sich über Alice A. Bailey in mehreren ihrer Bücher kundtut.

Literatur zum Thema

Bruno und Louise Huber: «Lehrwerk der Astrologischen Psychologie», 7 Bände: Die astrologischen Häuser / Die Tierkreiszeichen / Die Lebensuhr / Transformationen / Mondknoten-Astrologie / Aspektbild-Astrologie / Planeten als Funktionsorgane
 


 

Verena Bachmann, pädagogische Ausbildung; seit 1982 astrologische Beratungspraxis in CH-Zürich; Aus- und Weiterbildung in humanistischer Psychologie (Psychosynthese und Gestaltarbeit); Leiterin der Schule für Erwachsene (SFER); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE; internationale Vortragstätigkeit; Bücher: «Mondknoten. Lebensweg und Entwicklung im Geburtshoroskop» (2008/2012); «Die Macht des Weiblichen. Astrologische Symbolik im Spiegel des Wandels» (2011); «Visionen einer neuen Zeit» (2010, Mitautorin); «Die Chiron-Fibel. Brückenbauer zwischen Geist und Materie» (2009); «Pluto – Eros, Dämon und Transformation» (1989, Mitautorin); E-Mail: Verena Bachmann