Astrologie Heute Nr. 181 (Juni 2016)
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Astrologie Heute Nr. 181
Juni 2016

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 181 bestellen
Das Leuchten der Sterne am Tag
 
Kongress «Sternstunden» am 16. April 2016 in Zürich

von Armando Bertozzi
 


Der Astro-Club Zürich und der Schweizer Astrologenbund (SAB) haben erstmals gemeinsam eine Veranstaltung durchgeführt. Unter dem Titel «Sternstunden − Astrologie als Wegweiser in einer ver-rückten Welt» haben sich am Samstag, 16. April 2016, rund 100 Astrologen und Astrologiefreunde in Zürich zu einem spannenden ganztägigen Seminar getroffen.

Der Anlass war in zwei Abschnitte gegliedert: Am Morgen ging es − ganz gemäss der aktuellen Saturn/Neptun-Konstellation − um das Thema «Grenzen-los», am Nachmittag − gemäss dem noch wirksamen Uranus/Pluto-Aspekt − um das Thema «Un-gleich-gewicht». Die Moderation besorgte in charmanter und kompetenter Weise Alexandra Klinghammer.
 

 
Oben v. l.: Claude Weiss, Monica Kissling, Ernst Ott / unten v. l.: Erik van Slooten,
Alexandra Klinghammer, Markus Jehle, Lianella Livaldi Laun, Ingrid Zinnel
 

 

 
 
Ingrid Zinnel

 
  

Nach der Begrüssung durch die beiden Präsidenten, Annarita Müller vom Astro-Club Zürich und Claude Weiss vom Schweizer Astrologenbund, ging es los mit Ingrid Zinnel: «Neptun – unser drittes Auge». Die in Zürich wohnende Astrologin und Therapeutin sprach zuerst von ihrem eigenen Neptun und den alltäglichen Kämpfen mit ihm. Mit Neptun am DC bedeutete dies einmal: das Warten auf den Märchenprinzen. Neptun sei immer auch wie ein Loch. Ein Loch in Form extremer Schüchternheit zum Beispiel, an der sie in der Jugend gelitten hätte. Die Sehnsucht des Neptun und sein Loch würden oft dazu führen, dass wir im Äusseren Erfolg suchten. Das bringe mit sich: eine gewisse Lebensuntüchtigkeit, vielleicht Drogen, ein klösterliches Leben u. a. Das Loch, das Neptun reisse, müssten wir aber mit etwas ganz anderem füllen. Zen und Meditation würden uns zeigen, um was es bei Neptun geht: nämlich um die Wachheit! Zentriert wach zu sein. Und das müsse in dieser Welt erfahren werden. Neptun sei wie das dritte Auge, um zusätzliche Dinge wahrzunehmen. Denn das Fehlende, das wir mit Neptun erführen, sei nur der Anfang. Mit dem Vertrauen auf die innere Stimme, auf das «Göttliche», das eine gewisse Absichtslosigkeit mit sich bringe, würden wir oft etwas finden, mit dem wir gar nicht gerechnet hätten. Mit Neptun, so das Fazit der Astrologin, könnten wir lernen, mit dem inneren und dem äusseren Auge zu sehen … lernen, mit dem Herzen zu sehen.

Das Thema von Claude Weiss lautete «Neptun/Saturn: Sternstunden und Schlaglöcher». Er erinnerte daran, dass diese Konstellation in der Tradition von den Astrologen nicht besonders positiv beurteilt wurde. Diese hätten die Zweiteilung betont … und meist Saturn den Vorrang gegeben. Bei Reinhold Ebertin etwa würden Begriffe fallen wie Leid, Verzicht, Askese, Krankheit usw. Thomas Ring wiederum habe betont, dass in der Gespanntheit dieser Planetenverbindung es zur Spaltung zwischen Wirklichkeit und Wunsch kommen könne. Die Gegensätze, so führte Claude Weiss aus, hiessen hier Alltag versus Vision/Traum, Sicherheit versus Chaos, Laizismus versus Gottesstaat. Die Haltung «Wir sitzen alle im selben Boot» versus jener von «Das Boot ist voll». Der Referent verglich dann die aktuelle astrologische Situation mit Uranus in Widder im Aspekt zu Pluto sowie gleichzeitig Neptun in Fische im Aspekt zu Saturn mit den Jahren 1845–1851, als dies ebenfalls so war. Und damals (1848) wurde die Schweiz gegründet. So erfährt das Land derzeit viele astrologische Auslösungen.

Die «Schlaglöcher» im Titel seines Vortrages präzisierte Weiss hinsichtlich Saturn/ Neptun so: Illusion und Lüge aufsitzen = Verluste; Überforderung und Orientierungslosigkeit = Opfer/Retter/Verfolger-Spiele. Er spiegelte dann folgende Bilder: Boden unter den Füssen verlieren, Wasser am Hals, zum Sündenbock gestempelt werden. «Sternstunden» unter Saturn/Neptun wiederum wären: Solidarität («gemeinsam sind wir stark»), Fels in der Brandung, grosse Verbundenheit, Umkehr zu Bescheidenheit, Transzendenz und Zugehörigkeit zu einem grösseren Ganzen. Und schliesslich: Träume gehen in Erfüllung.

 
 
 
Monica Kissling

 

Der anschliessende Beitrag von Monica Kissling hiess «Auf der Suche nach Grenzen». Als Erstes machte sie darauf aufmerksam, dass Grenzen derzeit ein zentrales Thema seien. Mit Saturn/Neptun funktioniere es aber nicht so gut mit den Grenzen. Die Auflösung von Grenzen sei mit dieser Konstellation aber ein fortlaufender Prozess: räumliche Grenzen, zeitliche Grenzen, persönliche Grenzen, geografische Grenzen. Dieser Prozess laufe aus astrologischer Sicht schon länger ab: seit 1984 respektive 1988, als Neptun und Uranus in das Steinbock-Zeichen eintraten. Die Auflösung von Grenzen führe zu Ängsten, politisch und persönlich. Gut zu sehen an der damals begonnenen Globalisierung. Die Kunst sei, Vertrautes in etwas Neues zu verwandeln und Neues in etwas Vertrautes. Die Referentin gab dann einige zum Nachdenken anregende Entsprechungen für die Dynamik einer Saturn/Neptun-Spannung im veränderlichen Kreuz (Schütze/Fische): Lähmung versus Bewegung, Blockade versus Beziehung, Resignation versus Resonanz. Mit Saturn/Neptun scheitere vieles – wir sollten das Scheitern akzeptieren, meinte sie.

Monica Kissling erzählte dann, dass sie im Buch «Der unendliche Augenblick» der deutschen Philosophin Natalie Knapp hilfreiche Hinweise gefunden hätte, wie mit Veränderungen – und somit auch Krisen von Saturn/Neptun – besser umgegangen werden kann. Einige dieser Tipps: sich der Realität stellen, das Geschehene als Teil des Lebens akzeptieren, Verantwortung übernehmen für das Weiterleben durch Veränderung der Perspektive; dem Leben vergeben, dass es nicht perfekt ist. Wie die Referentin erklärte, seien Kategorien von «Richtig» und «Falsch» für solche Krisen ungeeignet. Sie erntete schlussendlich einige Lacher mit ihrem klugen Ratschlag: «Glaube nicht alles, was du denkst!»

Noch vor der Mittagspause gab es dann für das Publikum die Möglichkeit, Fragen an die Referenten des Morgens zu richten. Dabei ging es um die Situation der Schweiz, um das dritte Auge, Wut, R eligion und Satire …

 
 
Erik van Slooten

 
  

Zeit fürs Mittagessen. Und für danach war uns ja im Programmheft ein «Astrologisches Dessert» versprochen worden. Zu dem trat Erik van Slooten dann pünktlich an. Der niederländische Astrologe hatte sich eine Kochmütze aufgesetzt und schwang einen hölzernen Kochlöffel. Als Erstes berichtete er, dass in seiner Heimat eine Nachspeise «Himmlischer Schlamm» heisse. Einen solchen wolle er uns nun servieren, allerdings in abgeänderter Form: verbal. Hinsichtlich der klassischen Astrologie sei die Schweiz ja ein Entwicklungsland, und es sei bezeichnend, dass man ihn hierher nicht als klassischen Astrologen eingeladen habe, sondern als Spassmacher … Und Letzterem wurde er nun vollauf gerecht – es folgte nämlich eine mitreissende satirische Spott-Show über «Menschliches allzu Astrologisches», ein juvenalischer Ritt über die Auswüchse in diversen Astro-Disziplinen, von esoterisch bis exoterisch, der dem Publikum das Zwerchfell massierte und begeisterten Beifall einheimste. Ja, wenn alle klassischen Astrologen so viel kabarettistisches Talent hätten wie Herr van Slooten, würden wir Schweizer sie gerne massenweise zu uns holen, trotz Einwanderungsstopp, um von ihnen zu lernen, was klassischer Spass ist.

 
 
 
Ernst Ott

 

Aufgekratzt, mit positiver Energie geladen, war das Publikum nun bereit für Ernst Ott und seinen Beitrag «Ungleiche Aspektpartner». Auch er erwies sich als begabter Schauspieler, vermochte er doch das Ungleichgewicht von Planetenpaaren im Kosmos unseres widersprüchlichen inneren Lebens mimisch und pantomimenhaft aufs Fesselndste darzustellen. Er zeigte uns anschaulich (wortwörtlich), wie die inneren Dialoge zwischen Ich und einzelnen Planeten ablaufen: Das Ich zu Venus: «Was hast du so drauf?» – Venus: «Ich will Schönheit, ich will Harmonie.» – «Und du, Pluto?» – Pluto: «Ich bin der Magier, ich will alles, Leidenschaft, Extreme …!» – Darauf das Ich: «Oh Gott!»

Ernst Ott verdeutlichte dem Publikum darstellerisch gekonnt, wie grundverschieden die einzelnen Planeten doch sind und dass es das besondere Geschick des Ichs braucht, damit sie alle im Kopf und im Herzen miteinander auskommen. Planeten seien Gestalten mit einem bestimmten Charakter. Ein Aspekt bedeute einen Dialog zwischen unterschiedlichen Charakteren. Es hänge vom Chef (Ich) ab, ob der Dialog gelingt. Ott stellte dann drei Varianten des Scheiterns eines solchen Planetendialogs nach und zeigte verschiedene Strategien auf, wie das Ich die unterschiedlichen Bedürfnisse unter einen Hut bringen kann. Die Frage laute: Sich gegenseitig stören – oder aber sich unterstützen? Das Ich müsse Regisseur sein im eigenen Lebenstheater.

 
 
 
Lianella Livaldi Laun

 

Anschliessend referierte die italienisch-deutsche Astrologin Lianella Livaldi Laun über «Lilith/Uranus: eine Aufforderung zur Veränderung». Ihre Sichtweise ist stark von karmischen An- und Einsichten geprägt. Wir seien hierher auf die Erde inkarniert worden, um Erfahrungen zu sammeln, um die Seele zu entwickeln, meinte sie. Die Seele möchte Veränderungen erfahren, während alles Materielle statisch bleiben will. Und mit Blick auf das an diesem Tag viel zitierte Thema Veränderung: «Es gibt keine ewige Sicherheit!» Es könnten immer unerwartete Ereignisse in unser Leben dringen. Mit den Lilith-Transiten würden jene Veränderungen kommen, die im Alltag grosse Wirkung haben. Da würden wir immer etwas verlieren. Auch Uranus-Transite brächten Veränderung; es sei, als ob unsere Haut zu eng würde. Sie diskutierte dann das spannende, rührende Beispiel des Ehepaars Davide und Alessia, beide aus demselben Dorf stammend, die in Italien Aufsehen erregten, weil beide sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hatten: Der Mann wurde zur Frau, die Frau wurde zum Mann. Die Autorin zeichnete dann anhand des Heiratshoroskops die astrologischen Dimensionen dieser aussergewöhnlichen Geschichte nach.

 
 
Markus Jehle
 
  

Markus Jehle, Chefredakteur der deutschen Astrologie-Fachzeitschrift «Meridian» sprach zum Abschluss über das Thema «Der Preis der Freiheit – Der Uranus/Pluto-Zyklus». Er machte deutlich, welche Schwierigkeiten in dieser Planetenkombination stecken; enorme Gegensätze, wie etwa Stickstoff (Pluto) – Sauerstoff (Uranus), Bindung (Pluto) – Autonomie (Uranus) usw. Es sei hier jene krisenhafte Umkehrsituation angesprochen, die im Tarot mit der Karte «Der Gehängte» angezeigt werde. Uranus/Pluto bedeute eine Transformationsbeschleunigung: Transformation (Pluto) + Revolution (Uranus) = Mutation. Jehle schilderte dann die Bedeutung solcher Prozesse im persönlichen Erleben. Wir könnten mit diesem Zyklus auch die Chance nutzen, uns aus Zwängen (Pluto) zu befreien (Uranus). Oder auch: sich freiwillig (Uranus) zu binden (Pluto).

Zum Schluss des Anlasses gab es eine rege Diskussion mit den Referenten des Nachmittags. Dabei wurden einzelne in den Vorträgen aufgebrachte Themen nochmals scheinwerferartig beleuchtet – und erfreulicherweise beteiligte sich das Publikum rege mit eigenen Statements und persönlichen Kommentaren.

Fazit: Ein sehr gelungener Anlass dieser beiden astrologischen Verbände, welcher nach Wiederholung ruft.
 

Armando Bertozzi, von 1976 bis 1981 Kurse in Astrologie, Alchemie und Kabbala; 1980 bis 1988 Redaktor und Mitherausgeber von «Essentia – Zeitschrift für evolutionäre Ideen»; seit 1989 Chefredaktor von ASTROLOGIE HEUTE (E-Mail: Armando Bertozzi)