Astrologie Heute Nr. 184 (Dezember 2016)
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Astrologie Heute Nr. 184
Dezember 2016

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 184 bestellen

 

Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 

Barfuss in die Oper
 
von Barbara Egert
 


 

Um zu ergründen, ob man eher zu jenen gehört, die Gehorsam für wünschenswerter halten als Renitenz, muss man nicht unbedingt den Milgram-Test machen (siehe S. 54), der das innere Gleichgewicht und die Selbstachtung nur unnötig strapaziert. Mein Test ist taktvoller:

  1. Sind Raubkopierer und Schwarzfahrer das Allerletzte?
     
  2. Fahren Sie wie Ihre Eltern schon seit Jahren an die Ostsee oder nach Oberammergau?
     
  3. Finden Sie nicht auch, dass man, wenn man in die Oper geht, anständig gekleidet sein sollte?

Herzlichen Glückwunsch, wenn Sie die Fragen bejahen. Sie haben den Test erfolgreich bestanden: Jede Obrigkeit kann stolz auf Sie sein. Nie überqueren Sie die Strasse bei Rot, selbst wenn weit und breit kein Auto zu sehen ist. Und wenn die Ampel ganz ausfällt, praktizieren Sie vorauseilenden Gehorsam, indem Sie lieber wieder nach Hause gehen. Und ohne Ihr Horoskop zu kennen nehme ich an, dass Ihre Beziehung zu Saturn inniger ist als die zu anderen Planeten, windigen Gesellen wie Uranus etwa. Und das ist auch gut so, denn gehorsam zu sein ist keine Schande, sondern ein wohliges Einssein mit der Natur und ihren Gesetzen. Denn umkreist nicht der Mond gehorsam seit uralten Zeiten die gute alte Erde? Und beide zusammen die Sonne, und immer so weiter?

Zugegeben, es gibt Ausnahmen, zum Beispiel die schrecklich anarchischen Zustände in der Quantenwelt (Pluto!). Zum Glück spielen die im Alltag aber keine Rolle. Und Alltag bedeutet Routine, und die wird durch Ungehorsam nur unnötig erschwert. Und das besonders durch jene marsischen Uranier, die partout aus jeder Reihe tanzen müssen. Einige beharren sogar darauf, man sollte ohne Schuhe in die Oper gehen dürfen: «Aktives Leben auf freien Füssen!»

Barfuss in die Oper? Unmöglich! Und warum? Weil, wer dort Einlass begehrt, an Saturn vorbei muss. Und der mustert einen so gründlich wie die Airport-Security, ob man Regeln einhält und nicht etwa anarchistisches Fehlverhalten einschmuggelt. Und mag es auf der Bühne auch noch so turbulent zugehen, wenn etwa Tosca ihren Peiniger erdolcht, das Publikum verhalte sich gesittet. Nun gut, Smoking ist out, die Etikette hat sich gelockert, Turnschuhe sind okay, doch gelten auch hier noch immer gewisse Riten und Zwänge. «Nessun dorma» natürlich, und keiner klatsche, es sei denn, wenn alle klatschen. Saturn denkt eher kollektiv, das heisst er denkt auch für Sie mit. Befolgen Sie einfach seine Regeln, und alles wird gut. Auch und besonders in Bayreuth. Und wie kommt man von da zurück zum Thema Gehorsam? – Zugegeben, von den Rheintöchtern bis zu Lilith ist ein langer Weg. Doch Götterdämmerung allerorten: Heiliger Gehorsam verlangt von Abraham, seinen Sohn zu opfern.

Die Opferung Isaaks, mich erinnert sie sehr an Saturn, der seine Kinder frisst. Ob er sie zuvor zwecks Verteidigung der Grenzen des Vaterlandes, zerfetzt oder im Stück verspeist, ändert nichts am inzestuös-kannibalischen Tatbestand. Sieht man es metaphorisch, dann steht das Verspeisen für die Verhinderung jeglichen Fortschritts. Und warum? – Das spürt man häufig im Gespräch mit Saturniern: Sie allein wissen, was wahr und richtig ist. Was also soll dann jede andere Meinung? Und mit jedem Kind kämen ja unzählige neue Meinungen in die Welt. Nicht auszudenken. Der Gott alles Konservativen, das ist eben Saturn. Und dass es Herren und Knechte geben muss, versteht sich von selbst.

Ganz anders Pluto: Geländegewinn um jeden Preis! «Mein ist die Krim», und keine Widerworte! Früher trugen die Gangster Kronen und nannten sich Könige und Kaiser, und wenn einer von ihnen die Sphäre seines Einflusses vergrössern wollte, dann übertrug er es seinem Sohn und den Söhnen seiner Gang, so etwas unter Einsatz des Lebens zu erledigen. Dass Väter (fast möchte man meinen, sie seien nicht nur aus beruflichen Gründen nie anwesend, sondern auch ganz allgemein abwesend im Geiste, besonders wenn es um Geländegewinne geht) zu so etwas fähig sind, ist nur möglich durch eine brisante Mixtur aus Gehorsam und Ungehorsam, aus Saturn und Pluto.

Wer sich ein Bild von Lilith machen will, der findet sie in Franz von Stucks Bild «Die Sünde», ganz Femme fatale, sehr nackt, nur mit einer Schlange bekleidet. Ähnlich, nur in anderem Outfit sieht Goethe Adams Ex, wenn Mephisto, der es ja wohl wissen muss, Faust erklärt: «Nimm dich in Acht vor ihren schönen Haaren, vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt.»
 


Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung, lebt und arbeitet in Berlin; Bücher: «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009), «Wenn die Kindheit Schatten wirft. Beziehungen. Hochsensibilität. Narzissmus» (2014); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert