Astrologie Heute Nr. 205 (Juni 2020)
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Astrologie Heute Nr. 205
Juni 2020

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 205 bestellen

Astro-logische Merk-Würdigkeiten
«Die 13.Fee»
von Barbara Egert
 

Vor langer, langer Zeit, als die Menschen noch an Feen und diese an die Möglichkeit glaubten, mit guten Wünschen die Welt verändern zu können, bat eine Königin zwölf dieser Fabelwesen, ihr neugeborenes Kind zu segnen, vergass aber leider die 13. Diese rächte sich grausam: Mit 15 Jahren würde die Tochter durch den Stich einer Spindel sterben. Zum Glück hatte eine Fee ihren Segen noch nicht gesprochen und milderte den Tod zu 100-jährigem Schlaf.

Alles kommt, wie es kommen muss: In einem Schlossturm sieht das Mädchen eine alte Frau beim Spinnen, greift nach der Spindel, sticht sich und schläft auf der Stelle ein. Aber nicht nur sie, sondern jeder im Schloss, ob Katze, Hund oder Mensch, fällt in tiefen Schlaf. Nur die Dornen wachsen ringsum weiter. – Die übrige Welt weiss zwar von der Prinzessin, dem Dornröschen, doch Prinzen, die es zu erlösen suchen, sterben jämmerlich in den Dornen. Als 100 Jahre um sind, erscheint der rettende Prinz, und aus Dornen werden Blumen. Er küsst Dornröschen, sie erwacht, der Bann ist gebrochen und die Welt beginnt sich wieder zu beleben.

Märchen hofften schon immer, Unfassbares begreifbar und Kindern verständlich machen zu können: Ein winziger Spindelstich lässt die Welt erstarren. Vor Corona oder Covid-19 hätte man in der 13. Fee vielleicht den Archetypus der dunklen Mutter gesehen, die ihr Kind im Unbewussten gefangen hält, und den langen Schlaf als Wunsch der Tochter gedeutet, nicht erwachsen werden zu wollen. Aber jetzt, mitten im Zustand dieser gespenstigen Ruhe erscheint sie viel eher wie die letzte grosse Mahnerin vor dem alles verschlingenden Abgrund, wenn Klimakonferenzen nichts mehr bewirken. Sie, die Dreizehnte, versucht es mit extremer Entschleunigung, mit einer Galgenfrist für uns alle. Anders, scheint sie sagen zu wollen, ist die Welt nicht zu retten.

Astrologisch könnte man sich mit Neptun den Schlaf, mit Saturn den Stillstand, mit Pluto die zur Stabilisierung des Nichtstuns notwendige staatliche Gewalt erklären, aber auch die Transformation, das Stirb-und-werde. Was wir gerade durchleben, ist so ungeheuerlich, dass man sich eine Instanz ausserhalb unserer gewohnten Deutungsmöglichkeiten wünscht. 1930 wurde der Planet Pluto entdeckt, und nach ihm wurde das Plutonium benannt, das zur Herstellung von Atombomben verwendet wird. Vielleicht umrundet ja längst schon ein neuer Transsaturnier die Sonne, der genau das in sich vereint, was alle fühlen. Wird man ihn Covid-19 nennen?

Wie im Märchen befinden auch wir uns derzeit mitten in einem verzauberten Schloss, dem Synonym für Abgeschlossenheit und Gefängnis. 100 Jahre prophezeite die Fee. Schon jetzt werden aus Tagen Ewigkeiten! Und keine Änderung in Sicht. Wann endlich wird er kommen, der rettende Prinz, auf den alle sehnsüchtig warten? Noch hüllt er sich in Schweigen, entwirft Szenarien, sucht nach Gegenmitteln: Chiron wächst über sich hinaus, assistiert von all jenen, die ihre unterschiedlichen Fähigkeiten in den Dienst dieser einen Sache stellen. Saturns Gründlichkeit bedient sich der Statistik. Merkur koordiniert weltweit Datenströme, die den Laboren der Virologen helfen, diagnostische Verfahren der Früherkennung zu entwickeln. Uranus tastet sich vor in eine Welt danach. Alle suchen nach dem erlösenden Impfstoff. Wer ihn entdeckt, dessen Kuss wird die Welt zu neuem Leben erwecken. Wirklich? – Besser wäre es wohl, sich mit Küssen zurückzuhalten, um auch künftig Ansteckungen zu vermeiden: Noli me tangere! Distanz ist zwar ein Problem für alle, die ohne Nähe neurotisch werden (Mond/Neptun/Fische), für die Kontaktscheuen (Venus/Mond/Saturn) jedoch ist sie ein Segen. Blaise Pascal war sogar der Meinung, alles Unheil dieser Welt gehe davon aus, dass Menschen nicht zu Hause bleiben können. Jeder trage doch das Urbild der Schönheit in sich. Warum es also in der weiten Welt suchen?

Der infektionslogische Verstand schliesst die Airports, man wird auf innere Reisen ausweichen müssen. Saturn kennt nur noch die Strategie der Abschottung. Also wird Venus eine neue Zeichensprache der Liebe entwickeln müssen, um Nähe auch dann zu signalisieren, wenn man gerade im inneren Fluchtpunkt zu versinken droht. Wenn es eine Zeit danach gibt, und davon gehe ich aus, wird herzliches Zuwinken Umarmungen ersetzen. – Was ist eigentlich aus der 13. Fee geworden? Sie wartet ab, wie sich die Dinge entwickeln und wird zurückkommen, wenn die Welt sich nicht ändert.


Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung; Bücher: «Astro-logische Merkwürdigkeiten – Kolumnen» (2017, nur bei Amazon erhältlich), «Wenn die Kindheit Schatten wirft: Beziehungen, Hochsensibilität, Narzissmus» (2014), «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert