Astrologie Heute Nr. 119 (Februar 2006) - Editorial
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Astrologie Heute Nr. 119
Februar 2006

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 E  D  I  T  O  R  I  A  L 



 


Liebe Leserin, lieber Leser

Die Planeten, mit bestimmender Gebärde gehen sie über uns hinweg und ziehen an den Fäden, die uns aufrecht halten. Marionettentheater. Die Lichter am Himmel, spöttisch leuchten sie herab auf uns Dunkle, auf uns Unbekannte, Unerkannte, auf das Wühlen im Morast unseres Wollens. Auf uns Seelen, die ein grausamer Gott zerreisst. Sein Name ist Glauben. Sein Preis ist Wahn, ist Irrtum, ist Irrweg. Ist Suchen, in der falschen Annahme, gefunden zu haben. Was wir Finden nennen, ist in Wahrheit Blindheit. Es gibt kein Finden, kein Ausruhen, kein Anhalten. Die Sterne zeigen es uns, fliegen über unsere Köpfe hinweg von Anbeginn, der nie war, bis aller Tage Abend, der nie sein wird. Unendlich, unermüdlich, und es gibt keinen Schluss dieser Vorstellung, in unserem Marionettenspiel. Es gibt auch keinen Anfang, wir erinnern uns nicht, was das ist. Janus, der altrömische Gott des Anfangs, hat zwei Gesichter. Wir basteln uns Konstrukte, um zu glauben, dass wir wissen. Dieses Wissen ist Sünde, ist Amputation, ist Abgeschiedenheit. Allein – das hält kein Mensch aus. So rotten wir uns zusammen und erzählen uns eine Geschichte. Die Geschichte handelt von einem Wesen vor langer Zeit oder einer ersten Frau, von einem Gott, der dem Menschen ganz gleicht: zerrissen und suchend, mit dem falschen Versprechen auf den Lippen, gefunden zu haben.
 
Die Planeten, mit bestimmender Gebärde ziehen sie über uns hinweg und erzählen eine alte Geschichte. Es ist die Geschichte des Kipppunktes, der Schwelle, der Grenzzone. Ein Mythos, der uns seltsam berührt. Dieser magische Augenblick überfällt uns ohne Vorwarnung. In einem Lidschlag von Zeit brennen sich die Konstellationen im Himmel ein, stürzt das Galaktische Zentrum, ein Schwarzes Loch mit ungeheurer Masse im Sternbild des Schützen und 26000 Lichtjahre von uns entfernt, in sich zusammen. Eine Zeitenwende. Es ist die Umkehr von Dort nach Hier. Die Projektionen fallen auf uns zurück. In rasendem Wirbel stürzen das Ja und das Nein durch unsere Blutbahnen und zerplatzen an der Scheidewand des Innen und Aussen zu Haut. Im Bruchteil eines Moments befällt uns Hoffnung, fassen wir die Klötzchen des zerstörten Universums und setzen das Rätselspiel neu zusammen. Von jetzt an haben wir ein neues Horoskop. Es ist das alte, wenn wir vergessen. Das Bild erschliesst sich uns neu, im Wissen, dass es ein Irrtum ist. Das Karussell dreht sich wieder, die Lichter steigen auf über dem Osten und sinken in die dunklen Arme des Westens, wir Sterne fliegen ihnen entgegen. Die Planeten haben ein neues Aussehen. Zum ersten Mal erkennen wir ihr Antlitz. In der Dauer dieses Bruchteils übergiesst uns der Wassermann mit Feuer. In seiner Flamme verlöscht alles Vermeintliche. In einem Augenblick von Zeit ändert sich alles. Mit bestimmender Gebärde gehen wir über uns hinweg.
 
Armando Bertozzi
Redaktor