Astrologie Heute Nr. 123 (Oktober 2006)
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Astrologie Heute Nr. 123
Oktober 2006

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 123 bestellen
Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 
Hilfe, ich bin zu dick!

 
von Barbara Egert
 

 
In den über 20 Jahren, die ich Christel nun kenne, war sie bei ihrer Grösse von 1,62 m und den mindestens fünfundsiebzig Kilo an Gewicht noch nie elfengleich. Die Diätkuren, die sie machte, kann man fast nicht mehr zählen, und alle blieben ohne Erfolg. Nur ein Mal, als sie sich verliebt hatte, purzelten die Pfunde auf sage und schreibe vierundsechzig Kilo, um dann nach Beendigung dieser Beziehung auf dramatische achtzig anzusteigen.  
 
Was kann sie bloss machen mit ihrem Mond im ersten Haus im Halbquadrat zum Stier-Jupiter? Ich sage ihr, sie solle das innere Loch mit sinnvollen Aufgaben füllen, dann müsse sie auch nicht mehr so viel essen. Sie liebt Kinder über alles, und die fliegen auch gleich an ihren Geborgenheit ausstrahlenden, mütterlich-wogenden Busen, ihre Wohnung ist voller Tiere, die sie hegt und pflegt, für Blumen und Pflanzen hat sie das gewisse «grüne Händchen», aber diese Beschäftigungen beflügeln sie derart, dass sie vor lauter Wonne essen muss. «Ich bin esssüchtig», lautete ihre Selbstdiagnose vor einigen Jahren, und das war wohl ihr Alibi, um weitere Fressorgien zu feiern. Ein halbherziger Versuch bei den Weight Watchers brachte ihr nichts, denn wenn sie vom dortigen Wiegen nach Hause kam, inspizierte sie als erstes ihren Kühlschrank und kramte die vor ihren Essattacken versteckten Süssigkeiten hervor. Dass ihr übermässiges Essen einen Ursprung hat, der in den bitteren Erfahrungen ihrer Vergangenheit begründet liegt, ist klar. Aber alle Ansätze, mit sinnvollen und kreativen Aufgaben die innere Leere zu füllen, blieben erfolglos.
 
So schlug Christel mir vor, dass wir das astrologisch bewältigen sollten. «Aha, und wie?», fragte ich. Sobald Jupiter über ihre Planeten ginge (die sehr konzentriert stehen), das sei dann die richtige Zeit, weil sie dann genug Optimismus habe, meinte sie. Ich erklärte ihr, dass ich sie ausreichend kenne und ihr Optimismus in Übertreibung und Essorgien ausarten würde. «O. k., also Uranus?» – «Nein», warnte ich sie, «erinnere dich doch an damals, als Uranus über dein Stellium ging und Tina (ihre Tochter) im Alter von 14 Jahren über Nacht verschwand, deine Wohnung unter Wasser stand und dein Bruder nach einem Unfall ins Koma fiel!» Bei einem solchen Stress vergeht einem normalerweise der Appetit, aber Christel verschlang damals Unmengen von Süssigkeiten. «Um mich zu stärken», wie sie sagte, «sonst halte ich das nicht durch.» – Pluto-Transite mussten in ihrem Fall her, aber die waren damals noch nicht in Sicht. Ich erklärte ihr, dass die nächste astrologisch bestimmte Hungerkur auf das Jahr 2006 verschoben werden müsste, da Saturn sie dann unterstützen könnte. Und fragte sie schon fast resigniert: «Wie wäre es, wenn du einfach mal nichts isst, sondern nur trinkst?» – «Tolle Idee», fand Christel und begann eine «Fastenkur». Nach einer Woche hatte sie höchstens ein Pfund abgenommen. «Wie das?», lautete meine ungläubige Frage. «Nun ja, die schönen und gesunden Säfte sind wirklich lecker!» (Aus dem Reformhaus – als ob die weniger dick machen würden!) Und abends zur Belohnung gäbe es jeweils ein Betthupferl (eins!?), aber nur Kinder-Joghurt-Schokolade, die ja eigentlich nicht so viele Kalorien hätte.
 
Nun wog Christel 90 Kilo, da sie seit ihrer vorzeitigen Berentung ein noch gemächlicheres Dasein führte und noch viel mehr Zeit hatte, den Kühlschrank zu füllen, nur um ihn wieder zu leeren. Ich schimpfte mit ihr, dass sie sich ihre Gesundheit ruiniere: Leber, Magen, Bandscheibe, Kniegelenke. «Das weiss ich ja alles», maulte Christel, «aber ich bin eben ein hoffnungsloser Fall.» Ihr Fische-Mars gibt ihr nicht viel zielgerichtete Energie, schon gar nicht zum Hungern, sondern löst alle spärlich aufkommenden Vorsätze schon im Ansatz wieder auf, und auch die Saturn/Neptun-Konjunktion ist bei ihr alles andere als disziplinierend.
 
Inzwischen sind wir im Jahr 2006, und ich erinnere Christel an die unter saturnischem Schutz angedachte Hungerkur. Christel schaut mich skeptisch an und weiss nicht so recht, ob sie wirklich will, denn ihr geht es ja eigentlich gut. Ich wünsche mir für sie irgendwelche Ereignisse, die ihr den Bissen im Mund stecken lassen, und ihr endlich mal der Appetit vergeht.
 
Und siehe da: Im Frühjahr fällt ihre jüngste Tochter in eine schwere Depression – sie kommt ins Krankenhaus, weil Selbstmordgefahr besteht und sie beobachtet und therapiert werden soll. Christel, die Urmutter schlechthin, ist vor lauter Sorge und Traurigkeit ausser sich, sie kümmert sich um die kranke Tochter, den zweijährigen Enkel und hetzt über Wochen von da nach dort. Saturn transitiert ihre Sonne, Mars, Venus und MC, Chiron läuft in Konjunktion über ihr MC u. a. m. In zwei Monaten hat sie fünf Kilo abgenommen und proklamiert fest entschlossen: «Ich will nie mehr aussehen wie eine fette Wachtel!» Aber bis dahin ist der Weg noch lang und mit viel Schokolade gepflastert …

 

 
Barbara Egert,
geprüfte Astrologin DAV; über 25 Jahre Astrologie-Erfahrung; astrologische Beratungen und Kurse in Berlin; diverse Publikationen in Büchern und Fachzeitschriften; ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE