Astrologie Heute - Themen der Zeit

 


Polemische Astrologie-Kritiker und deren Konstellationen
 

von Claude Weiss

 

23. März 2007

  klicken Sie um das Bild zu vergrössern
 
Fig. 1
Bart Bok
28.4.1906, 15.40 GT
Hoorn, NL (52N38, 5E04)
Koch

   klicken Sie um das Bild zu vergrössern
 
Fig. 2
Reinhard Wiechoczek
23.9.1945, 12.00 LT, 11.00 GT
Paderborn, D (51N43, 8E45)
ohne Häuser
 
  klicken Sie um das Bild zu vergrössern
 
Fig. 3
Hugo Stamm
29.3.1949, 12.00 LT, 11.00 GT
Schaffhausen CH (47N42, 8E38)
ohne Häuser

 

Im Herbst des Jahres 1975 erschien in der September/Oktober-Nummer der amerikanischen Zeitschrift „The Humanist“ eine feurige Stellungnahme gegen die Astrologie, welche von 186 führenden Wissenschaftlern, darunter 18 Nobelpreisträger, unterschrieben wurde. Als darauf hin ein Vertreter der BBC einige der Nobelpreisträger interviewen wollte, lehnten sie mit der Begründung ab, sie hätten von Astrologie keine Ahnung – was sie allerdings nicht daran hinderte, die Astrologie öffentlich zu verfluchen.

Dazu meint Paul Feyerabend, Wissenschaftstheoretiker, damals Professor an der Universität Berkeley und später an der ETH: 

Den Leser, dessen Bild der Wissenschaft von den üblichen Eulogien bestimmt ist, die die Rationalität, Objektivität, Unparteilichkeit und den kritischen Charakter dieses Unternehmens betonen, überrascht der religiöse Ton des Dokuments, die Unbildung der Autoren und die autoritäre Weise, in der die Argumente vorgetragen werden. Die gelehrten Herren haben starke Ueberzeugungen, sie verwenden ihre Autorität, um diese Ueberzeugungen zu verbreiten (warum 186 Unterschriften, wenn man ein gutes Argument hat?), sie kennen einige Phrasen, die wie Argumente klingen, aber sie haben keine Ahnung, wovon sie reden.“ 1

Feyerabend vergleicht das Statement mit einer Publikation der römisch-katholischen Kirche aus dem Jahre 1484, den Malleus Maleficarum (dt. Hexenhammer), das berühmte Textbuch über die Hexenkunde. Er stellt fest, dass die damals verwendeten Worte fast dieselben sind wie jene, die zu Beginn der „Stellungnahme“ verwendet werden und das gleiche auf die Gefühle zutrifft, die ausgedrückt werden. „Sowohl der Papst als auch die ‚186 führenden Wissenschaftler’ beklagen die zunehmende Popularität von Ansichten, die sie für unangenehm und fragwürdig halten. Aber was für ein Unterschied an Belesenheit und Gelehrsamkeit!

Der Papst und die gelehrten Verfasser des Malleus kannten ihren Gegenstand genau. „Das kann von unseren Wissenschaftlern nicht gesagt werden. Sie kennen weder den Gegenstand, den sie angreifen, nämlich die Astrologie, noch jene Ergebnisse ihrer eigenen Wissenschaften, die den Angriff entschärfen.2

Es verdient jedoch Erwähnung, dass nicht alle Wissenschaftler bereit waren, dieses Manifest zu unterschreiben. In einem Brief an den Herausgeber der Zeitschrift The Humanist erklärte der berühmte Wissenschaftler Carl Sagan seine Weigerung:

Ich sehe mich ausserstande, der Erklärung ‚Einwände gegen die Astrologie’ zuzustimmen – nicht, weil ich das Empfinden hätte, die Astrologie habe auch nur den geringsten wissenschaftlichen Wert, sondern weil ich den Eindruck hatte und habe, dass der Tonfall der Erklärung autoritär ist. Das Hauptproblem ist nicht, dass die Astrologie aus dem Aberglauben entstanden ist. Dies trifft auch für die Chemie, Medizin und Astronomie zu, um nur drei Fächer zu erwähnen… Dass wir uns kein System denken können, nach dem die Astrologie funktioniert, ist bedeutsam, aber nicht überzeugend. Beispielsweise war kein Schema der Kontinentalverschiebung bekannt, als Wegener sie zur Debatte stellte. Dennoch erkennen wir, dass Wegener recht hatte, diejenigen hingegen unrecht, die aufgrund eines noch nicht beweisbaren Denkmodells Einwände erhoben.“3

Paul Feyerabend zieht aus dem Ereignis folgende Schlüsse:

Die Stellungnahme der Wissenschaftler hat der Astrologie keinen grossen Schaden angerichtet… Ich erwähne die Astrologie nicht darum, weil sie unter dem Angriff der Wissenschaft besonders leidet, sondern weil der Fall uns sehr deutlich zeigt, was man von einer ‚wissenschaftlichen Kritik’ zu halten hat, und ich fordere den Leser auf, die Lektion nicht zu vergessen, wenn er ‚wissenschaftliche’ Angriffe auf die Akupunktur, die Kräutermedizin, das Handauflegen hört, wenn er die Urteile ‚hervorragender Wissenschaftler’ über die Atomkraft und die Sicherheit von Kraftwerken liest, oder wenn man ihm erzählt, dass es ‚unwissenschaftlich’ ist, sich auf Intuitionen zu verlassen, eine Seele anzunehmen und dergleichen mehr. Man kann sich auf die Wissenschaftler einfach nicht verlassen. Sie haben ihre eigenen Interessen, die ihre Deutung der Evidenz und der Schlüssigkeit dieser Evidenz färben, sie wissen nur sehr wenig, geben aber vor, weitaus mehr zu wissen, sie verwenden Gerüchte, als handle es sich um wohlbestätigte Tatsachen, fromme Wünsche, als handle es sich um grundlegende ‚Prinzipien’ des wissenschaftlichen Denkens, und selbst sehr detaillierte Forschungsergebnisse beruhen auf Annahmen, die die Wissenschaftler oft nicht kennen und deren Inhalt und Reichweite sie nicht verstehen. Es ist natürlich wahr, dass wir den Wissenschaften grossartige Entdeckungen verdanken. Aber daraus folgt nicht, dass es so etwas wie ein ‚wissenschaftliches Denken’ gibt, das diese Entdeckungen zustande brachte, und noch viel weniger, dass die angeblichen Treuhänder dieses mythischen ‚wissenschaftlichen Denkens’ die Welt, die Gesellschaft, die Menschen besser verstehen als andere Bürger.“4

 

Triebfeder „intellektuellen Aberglaubens“

Es zeigt sich dass ausschliesslich rationalistisch orientierte Wissenschaftler polemisch und zwanghaft werden, wenn ihr kausales Weltbild durch neue Informationen in Frage gestellt werden könnte. Sie werden dann zu eigentlichen „Fundamentalisten“, die unliebsame Fakten nicht nur nicht zur Kenntnis nehmen, sondern auch vertuschen. Sie profilieren sich dann als Polemiker, die man auch mit noch so ausgeklügelten Versuchsanordnungen nicht von irgendwelchen Zusammenhängen zwischen Planetenstellungen und psychologischen Faktoren oder Geschehnissen auf der Erde überzeugen kann. Die Erfahrung von fünfzig Jahren solcher Versuche zeigt, dass Forschern – meist keine Astrologen – , die sich dieser Aufgabe widmen, ständig neue Auflagen gemacht werden, um das Eingeständnis von Zusammenhängen möglichst lange aufschieben zu können. Wie neutrale Experten, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, so zum Beispiel die Psychologieprofessoren Hans Jürgen Eysenck und Suitbert Ertel, aber auch der Soziologieprofessor der Eastern Michigan University Marcello Truzzi und der an Replikationsversuchen beteiligte Astronom Dennis Rawlins aufzeigen, wurden Kontrollversuche regelmässig darauf angelegt, Resultate, die auf astrologische Zusammenhänge hinweisen, zu widerlegen und positive Ergebnisse entgegen existierender Abmachungen nicht veröffentlicht. Dies führt zu einer endlosen Kontroverse, die bis heute aus begreiflichen Gründen nicht verstummt. Seit dem Tod von Michel Gauquelin wird vonseiten der GWUP e.V. (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.) sogar versucht, die Diskussion als abgeschlossen und astrologische oder kosmologische Zusammenhänge als widerlegt hinzustellen.

Ueber die psychologischen Zusammenhänge, die von C.G. Jung erarbeitet wurden, wonach der intellektuelle Denktypus dazu neigt, dogmatisch zu werden, wenn das bei ihm schwach entwickelte Gegenprinzip, die Fühlfunktion, angesprochen ist, haben wir bereits im Artikel vom 11. Januar 2007 „Astrologie in den Medien - Jahreswechsel: Mobilisierung der Ultrarationalisten“ berichtet. Eine solche Haltung fällt aber auch mit bestimmten astrologischen Konstellationen zusammen, über welche bereits 1987 in meinem Buch „Astrologie – Eine Wissenschaft von Raum und Zeit“ berichtet wurde:

Die Jung’sche Psychologie zeigt auf, dass die Verdrängung von Gefühlswerten zu einer Ueberbetonung des intellektuellen Standpunktes führt und die intellektuelle Haltung dann fanatisch wird, wenn Elemente berührt werden, die mit der verdrängten Gefühlssphäre in Zusammenhang stehen. Naturgemäss findet die Verdrängung zu einem Zeitpunkt statt, in dem die Gefühle in irgendeiner Form noch direkt aktiv sind, also bereits in der frühen Kindheit. Die Skriptanalyse zeigt andererseits, wie zu jenem Zeitpunkt unter starkem Einfluss der Eltern und der Gesellschaft der Lebensplan eines Menschen definiert wird. Im Falle einer Verdrängung der Gefühlsqualitäten wird im Lebensplan der Akzent auf das Denken gelegt, so dass mit Hilfe des Wissens und Erklärens die verdrängten Gefühle in Schach gehalten werden. Je stärker die verdrängten Gefühle sind, desto grösser wird der Aufwand sein und um so wichtiger mag es der Person erscheinen, ihren Kampf nach aussen zu verlegen und alles nicht logisch Erklärbare in der Aussenwelt zu bekämpfen. Wir können also von der Annahme ausgehen, dass die aktiven Bekämpfer der Astrologie, Esoterik und vielleicht auch der Psychologie in ihren Grundkonstellationen starke Gefühlskomponenten aufweisen, welche sie jedoch aufgrund des Einflusses der Eltern und der Gesellschaft nicht leben durften.

Die Ueberprüfung anhand der Horoskope von Astrologiegegnern bestätigt diese Annahme. Ich habe bisher noch kein Horoskop eines engagierten Astrologiegegners gesehen, in dem der Planet Neptun, welcher für Imagination, Transzendenz und Durchlässigkeit steht, nicht stark gestellt war. Neben Mond-Neptun – als Symbol für Verunsicherung (Neptun) in der Kindheit (Mond) durch zu grosse Durchlässigkeit – finden wir häufig eine Spannungskonstellation zwischen Neptun und Merkur (Denken), Mond und Merkur oder Neptun und Saturn (Wirklichkeit), bzw. Jupiter (Glaube) und Saturn. All diese Stellungen drücken einen intensiven Konflikt aus zwischen der Welt des Konkreten, der erklärbaren Realität und psychischer sowie religiöser Ahnungen, die auf eine andere, subtilere und in gewissem Sinne jenseitige Welt hindeuten würden. Da diese Spannungen ja auch genau das Thema der Fische/Jungfrau-Achse oder des Fische/Jungfrau-Zeitalters zum Ausdruck bringen (Mond, Neptun und Jupiter für die Fischekomponente; Merkur und Saturn für die Jungfraukomponente) ist es verständlich, dass viele Menschen mit solchen Spannungen besonders stark für den Konflikt zwischen dem verstandesmässigen Pol und jenem der transzendentalen Wahrnehmung sensibilisiert sind. Liegt nun vom elterlichen Einfluss her eine starke Aufforderung vor, den rationalen Pol auszubauen, so wird der Gegenpol als damit unvereinbar abgelehnt und verdrängt. Dies war und ist zum Teil noch heute beim männlichen Geschlecht, dessen Vertreter die wissenschaftliche Welt zur Hauptsache dominieren, aufgrund der gesellschaftlichen Rollenverteilung besonders häufig der Fall.“5

 

Das Horoskop von Bart Bok, Organisator des „Manifests“

Professor Bart Bok war der Organisator des „Manifests von 186 Wissenschaftlern gegen die Astrologie“, und es ist anzunehmen, dass die beschriebenen astrologischen Konstellationen und psychologischen Mechanismen in seinen Konstellationen zum Ausdruck kommen. Bart Bok wurde am 28. April 1906 um 15.40 GMT in Hoorn/NL geboren (Fig. 1, Quelle: Taeger-Archiv). Zu diesem Horoskop schrieb ich vor 20 Jahren:

Wir erkennen darin eine ganze Reihe der beschriebenen Themen. Zunächst einmal stehen Neptun und Merkur in der Nähe der Hauptachsen in einem Quadrat zueinander, was darauf hinweist, dass beide Prinzipien stark gestellt sind, sich aber zueinander in Spannung befinden. Dies ergibt einen Konflikt zwischen Ratio und Transzendenz. Entscheidet man sich für die Ratio, so wird der Gegenpol als Bedrohung durch das Chaotische und Unerklärbare empfunden. Durch die Anwesenheit des Mondes in der Nähe von Neptun wird die Energie, welche für den Verdrängungsmechanismus notwendig ist, verstärkt. Der Kampf gegen das Irrationale, Strukturauflösende kann die Ausmasse eines ‚heiligen Kampfes’ gegen die Mächte des Dunklen annehmen. Weitere Stellungen intensivieren diesen Konflikt. So steht auch Saturn, als Symbol für die Materie und erklärbare Welt, im Quadrat zum Jupiter, dem Prinzip des Glaubens und dem traditionellen Herrscher des Fischezeichens. Saturn steht andererseits im Fischezeichen, was auch wieder eine Angst (Saturn) vor dem Unerklärbaren (Fische) anzeigt.

Solange das Fische-Neptun-Jupiter-Mond-Prinzip nicht akzeptiert wird, muss es infolge Projektion über die Aussenwelt erlebt werden. Die Motivation dazu ist stärker als alle rationalen Argumente, so dass das Denken, welches sonst durchaus logisch und präzise sein kann, im Zusammenhang mit paranormalen Phänomenen ins Schlepptau der verdrängten Gefühle gerät und sämtliche Rationalisierungen damit sekundären Charakter erhalten. Zuerst steht fest, was bekämpft werden muss, und die angeführten Gründe dienen lediglich dazu, die vorgefasste Meinung zu bestätigen.“5

Zu dieser Beschreibung von damals würde ich heute hinzufügen, dass auch die Opposition zwischen dem zu abstraktem Denken geneigt machenden Uranus und der Mond/Neptun-Konjunktion – insbesondere an einer Hauptachse – den Konflikt zwischen Denken und Fühlen zusätzlich anheizt und Chiron am absteigenden Mondknoten eine Angst vor Schwäche erzeugt, die dann verspürt wird, wenn sich der Betreffende gefühlsmässigen Dimensionen öffnet, womit die Angst vor Unterwanderung durch das Irrationale, die auch über Saturn in Fische zum Ausdruck kommt, verstärkt wird.

 

Reinhard Wiechoczek – selbsternannter schärfster Astrologie-Gegner

Den deutschsprachigen Astrologen, welche von den 70-er bis Anfang der 90-er Jahre die Medienberichte verfolgten, ist der Hauptschullehrer und Gründer der Volkssternwarte Paderborn als selbsternannter „härtester Astrologie-Gegner der Republik“ ein Begriff. Mit unermüdlichem Eifer profilierte sich Wiechoczek in Talkshows als polemischer Astrologiegegner, und er verfasste Pamphlete über die Astrologie, wie „Astrologie. Das falsche Zeugnis vom Kosmos“ und „Uranus lächelt über Hiroshima – die horoskopierte Gesellschaft“, die allerdings teilweise in obskuren Verlagen erschienen und denen jeglicher Publikumserfolg verweigert blieb. Dies erklärte der unermüdliche Kämpfer gegen alles, was die Klarheit des rationalen Verstandes unterminieren könnte, auf Rückfrage mit folgenden Worten: „Die enthaltene Gesellschaftskritik ist so brisant, dass sich ein grosser Verlag nicht mitreinhängt, zumal wenn er selbst einen Grossteil seines Umsatzes durch abergläubischen Unsinn erzielt.“ Dazu meint der Verfasser der Rückfrage, dies klinge „so stark nach Verschwörungstheorie und Verfolgungswahn, dass man ihm eine psychologische Beratung anraten möchte.“6  

Die Besessenheit des Dr. Wiechoczek kommt auch darin zum Ausdruck, dass er im Jahre 1988 den 1987 dem Psychologen Peter Niehenke von der Bielefelder Universität verliehenen Doktortitel für seine Arbeit über kritische Astrologie anfocht. Grund: Derselbe Herr sei schon vorher praktizierender Astrologe gewesen und somit „in seiner Kritikfähigkeit etwas eingeschränkt“.  (Siehe zu diesem Vorfall auch ASTROLOGIE HEUTE Nr.19, Juni/Juli 1989, «Der Skandal von Bielefeld».) Nachdem Wiechoczeks Antrag zur Aberkennung der Doktorwürde beim Kultusminister abgewiesen wurde, veranstaltete der streitbare Astronom an der Paderborner Sternwarte dann ein „Astrologie-Tribunal“.

Wie dies bei zwanghaften Gegnern der Astrologie meist der Fall ist, richten sich Wiechoczeks Angriffe auch gegen andere Bereiche, die das Paranormale oder Uebersinnliche ins Spiel bringen. So zielten Wiechoczeks Attacken auch gegen die Waldorfschulen, wobei er, nie um scharfe Worte verlegen, zum Gründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, meinte: „Ein Grossteil der Originaltexte Steiners demonstriert Geisteskrankheit.“

Entsprechend seinen kämpferischen und kompromisslosen Auffassungen fühlte sich Wiechoczek in der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP) recht wohl, und seine Sternwarte war 1994 Gastgeberin des 6. Kongresses der Gesellschaft. Als er sich mit einem Antrag, die GWUP solle sich auch offensiv gegen jegliche Form von Religion wenden, intern nicht durchsetzen konnte, trat der langjährige GWUP-Funktionär allerdings 1996 aus der Organisation aus.

 

Erwartungsgemäss wieder ein starker Neptun

Von den Geburtsdaten Wiechoczeks ist mir lediglich der Tag bekannt, und das in Fig. 2 abgebildete Horoskop wurde deshalb für 12.00 Uhr mittags und für den Ort des Wirkens, Paderborn, erstellt. Die Analyse der Konstellationen zeigt jemanden, der mit einem Quadrat von Jupiter und Neptun zur Mondknotenachse, auf welcher sich Mars am aufsteigenden Mondknoten befindet, viele Eigenschaften eines idealistischen oder – je nach Standpunkt – fanatischen Kämpfers für eine Ideologie (oder Religion) aufweist. Unter anderen Umständen und in einem anders gelagerten Kulturkreis hätten diese Konstellationen zu einem „Kreuzfahrer“, einem „Dschihadisten“ und einem „heiligen Religionskrieger“ führen können. Im laizistischen Westen aufgewachsen, können wir uns mit Chiron in Konjunktion zu Jupiter/Neptun – das Ganze im Quadrat zu Mars und Mondknotenachse – vorstellen, dass gerade in Zusammenhang mit Sinnsuche und religiösen Themen früh schon schmerzliche Erfahrungen gemacht wurden und Verwundungen stattfanden, die den Betreffenden dazu führten, eine rigoros atheistische Haltung einzunehmen. Kommt es in frühester Kindheit zu einer solchen Fixierung, richtet sich nämlich die ganze Dynamik des Betreffenden auf das Bekämpfen all dessen, was auf Religion, das Uebersinnliche und die Transzendenz ausmünden könnte. Dann wird die Jupiter/Neptun-Komponente auf die Gegner projiziert, die in den Augen des Betreffenden Scharlatane und Betrüger (Neptun) sein müssen, welche das Volk mit ihren unehrlichen Angeboten verführen, vom richtigen Weg abbringen und damit perverserweise auch noch Erfolg (Jupiter) haben. Einfacher formuliert: Das, was sich Wiechoczek aufgrund schmerzlicher Erfahrungen selbst verbietet, nämlich die Oeffnung für das Erlebnis eines höheren, transzendentalen Sinns, wird bei andern fundamentalistisch und mit allen Mitteln bekämpft. Jegliches Eingehen auf die Argumente des Gegners würde in einem solchen Fall psychologisch als unverzeihliche Schwäche erlebt. Es kommt zum rationalen Fanatismus oder wie Jung diese Entwicklung bezeichnet hat, zum „intellektuellen Aberglauben“.

 

Hugo Stamm: profiliertester Schweizer Astrologiegegner

Der Schweizer Journalist Hugo Stamm hat sich mit seinem Kampf gegen die Abhängigkeit, welche religiöse Sekten von ihren Mitgliedern einfordern, in der Schweiz und teilweise auch im deutschsprachigen Ausland als Sektenspezialist einen Namen gemacht. Aufgrund entsprechender regelmässiger Artikel in der Zürcher Tageszeitung „Tages-Anzeiger“ und seit Anfang 2006 einem eigenen Blog verfügt Hugo Stamm über eine ansehnliche Anhängerschaft, wovon die vielen Beiträge auf seiner Blogseite zeugen. Für viele profiliert er sich in ritterlicher Manier, indem er die Erlebnisse von Opfern von Sekten – praktisch ausschliesslich Frauen – ans Licht bringt und die Geschichte journalistisch dergestalt aufbereitet, dass sie für die heutige Presselandschaft ausreichend sensationell daherkommt, um das Echo der Medien zu finden. Dabei bedient er jene Klischees, die besondere Aufmerksamkeit auslösen, wie sexuelle Uebergriffe und Abhängigkeiten oder finanzielle Ausbeutung. Enorme Profilierung erlangte Stamm kürzlich mit der Aufarbeitung der Geschichte von Lea Saskia Laasner – einer jungen Zürcherin, die jahrelang von einem Sektenguru sexuell missbraucht wurde – eine Story, die er zusammen mit dem Opfer redigierte, was zum Buch „Allein gegen die Seelenfänger – Meine Kindheit in der Psycho-Sekte“ führte – ein aufwühlendes Zeugnis eines Kampfes um Freiheit, welches bereits in 5. Auflage erschienen ist und Hugo Stamm, zusammen mit seinem Opfer, zu zahlreichen Talkshow-Auftritten verhalf. Weniger erfolgreich war der Versuch, die Geschichte der Schweizer Tennisspielerin Patty Schnyder in Verbindung mit ihrer Liaison mit dem „Millionenbetrüger“ (Stamms Worte) Rainer Hofmann zu verwerten, denn dies scheiterte an der mangelnden Bereitschaft des „Opfers“ zur Zusammenarbeit. Als Stamm ihr in einer „Club“-Sendung im Schweizer Fernsehen SF vorwarf, sie stürze sich von einer Abhängigkeit in die andere. „Sei es zuvor Rainer Harnecker gewesen, dem sie sich vorbehaltlos hingegeben habe, so werde sie nun von Rainer Hofmann beeinflusst, ihrem Manager und Partner“, konterte Schnyder: „Ihr Privatleben gehe ihn überhaupt nichts an.“ Dabei hätte die Story so ergiebig sein können, wie Stamm in einem Resumee vom 30. Juli 2003 im „Tages-Anzeiger“ beklagt: „Die beiden bieten besten Stoff für ein Drehbuch. Oder eine Familientragödie. Die Elemente erinnern auch an ein klassisches Drama: die berühmte, attraktive junge Frau, der Bösewicht, die intrigante Familie und das gnadenlose Schicksal. Und alles unter den gespannten Augen einer breiten Oeffentlichkeit.“ Schmerzhaft für Stamm war wohl dabei, dass ihm die Rolle des „weissen Ritters“, der das „arme Opfer“ aus den Fängen des „Bösewichts“ befreit, versagt blieb. Und dies unter den gespannten Augen einer breiten Oeffentlichkeit.

Trotz einer – wohl nicht eingestandenen – narzisstischen Komponente und einer Neigung, zuweilen über das Ziel hinauszuschiessen, ist gegen den Eifer von Hugo Stamm zur Aufklärung von Sektenmissbräuchen wenig einzuwenden, und viele finden, dass er dabei eine gute Arbeit macht. Mit Besorgnis stellen wir jedoch fest, dass Hugo Stamm seit Ende der 90-er Jahre und insbesondere seit seinen Büchern „Im Bann der Apokalypse“ (1988) und „Achtung Esoterik“ (2000) zunehmend gegen alles vom Leder zieht, was sich nicht streng nach materialistischen Kriterien beweisen lässt, wie Alternativmedizin, Pendeln, Astrologie und östliche Heilslehren, was auch zu Angriffen gegen den Dalai Lama oder das Lassalle Institut von Pater Brantschen führt. Diese Tätigkeiten und Bereiche scheint Hugo Stamm in zunehmendem Masse abergläubischen Praktiken zuzurechnen, die bekämpft werden müssen. Dies geschieht dann aus einer fundamentalen Sicht heraus, ohne dass die Dinge näher geprüft und Fakten berücksichtigt würden. Damit ist Hugo Stamm leider zunehmend in jenem weiter oben definierten Bereich des „intellektuellen Aberglaubens“ anzusiedeln.

 

Das Horoskop des Sektenspezialisten

Da uns für Hugo Stamm eine Geburtszeit fehlt, wurde das Horoskop in Fig. 3 für 12.00 Uhr Mittag Schaffhausen erstellt. Zunächst einmal fällt der bereits bei Bok und Wiechoczek beobachtete Gegensatz zwischen sehr diesseitigen, sich am Konkreten orientierenden, kämpferischen Komponenten in der Form von Sonne, Mond, Venus und Mars im Widder und dem Planeten Neptun auf, der mit Transzendenz, Einfühlungsvermögen, aber auch Angst vor Betrug und Schwäche zu tun hat. Damit prallen extreme Egokräfte mit Schuldgefühlen zusammen, was dazu führt, dass die Ich-Energie vor allem dann zur Verfügung steht, wenn es darum geht, Täuschungen und betrügerische Machenschaften aufzudecken und zu bekämpfen. Zusammen mit dem Quadrat des Jupiter zur Mondknotenachse entsteht dadurch ein missionarischer Eifer, aufzuklären und zu dozieren, indem gleichzeitig wahrgenommene (oder konstruierte) Missstände bekämpft werden. Allerdings fehlt es mit dem Neumond Konjunktion Venus und Mars im Widder in Opposition zum Neptun zuweilen an Mut, Gegner direkt zu konfrontieren, so dass die eigentliche Argumentationsarbeit häufig mit Hilfe einer scharfen Feder hinter den Kulissen stattfindet. Dies entspricht auch der Ausdruckweise des Merkur in Fische Quadrat Uranus in Zwillinge, eine Stellung, die auf eine reiche Fantasie, spontane Einfälle, Originalität und schriftliche Schlagfertigkeit hinweist.

Dabei lohnt es sich, die Stellung des Merkur in Fische als Einzelgänger im Wasser in Konjunktion mit der Lilith näher unter die Lupe zu nehmen. Im integrierten Fall könnte diese Stellung ein lebhaftes Interesse für Mythen, Rituale, Nonverbales und nicht rational Erklärbares symbolisieren. Da es sich im vorliegenden Fall jedoch um einen Mann mit einer starken Widderkomponente handelt, die in Opposition zum Neptun steht, was eine Angst vor Schwäche durch Zulassen der eigenen Sensibilität auslöst, können wir davon ausgehen, dass Neptun und die Konjunktion des Einzelgängers Merkur mit Lilith in Fische das symbolisiert, was Hugo Stamm dauernd beschäftigt, was er jedoch auf andere projiziert: die Welt der Gefühle, des Unsichtbaren, des Irrationalen und des Transzendentalen. Damit wird er, solange er seine eigene Sensibilität nicht zulässt, zum fundamentalen Gegner all dessen, dem ein Hauch des Uebersinnlichen und nicht Beweisbaren anhaftet.

Es passt übrigens zur Qualität der Zeit, dass Hugo Stamm mit einem Transit des Pluto im Quadrat zu seiner Merkur/Lilith-Konjunktion in Fische in der „Club“-Sendung vom 9. Januar mit den Argumenten einer Frau – der Astrologin Monica Kissling – konfrontiert, sich zuweilen als sprachlos erlebte (Merkur/Lilith als Ausdruck von Wortlosigkeit). So konzentrierte er sich – ganz in Fischemanier – auf Angriffe gegenüber Abwesenden. Mit der Sonnenfinsternis vom 19. März auf seiner Lilith im Quadrat zum laufenden Pluto dürfte diese Auseinandersetzung mit der eigenen Ausdrucksfähigkeit in Anwesenheit von starken Frauen – die psychologisch vielleicht als „Hexen“ wahrgenommen werden – Stamm noch einige Zeit beschäftigen.

Was für Stamm ein Dauerthema darstellt, sind im Weiteren die mit Sonne, Mond, Mars und Venus in Widder sehr ausgesprochenen Ego- und Durchsetzungsbedürfnisse, die sich mit einem gleichzeitig vorhandenen starken Wunsch nach Anerkennung und Genuss verbinden – Qualitäten, die aufgrund der Opposition zum Neptun jedoch nicht so ohne Weiteres offen und direkt zum Ausdruck gebracht werden dürfen, weil sonst Schuldgefühle entstehen. Dieser Konflikt zwischen grosser Ich-Haftigkeit und dem Wunsch, durch altruistische Qualitäten zu glänzen, vermittelt im Ausdruck etwas Widersprüchliches, und sie kann sowohl Neid für das, was die andern haben, erzeugen, als auch eine Tendenz, in den Liebes- oder Geldgeschichten anderer herumzuwühlen. In solchen Momenten bewegt sich Stamm häufig am Rande des Schicklichen oder ethisch Zulässigen, so dass die Reaktion von Patty Schnyder ihn treffen musste, aber wahrscheinlich auch jener Fall, als sich der frühere Direktor des Bernhard-Theaters und Organisator esoterischer Veranstaltungen – Eymar Grabowsky – am Tag vor einem Termin mit Stamm zwecks Besprechung seiner desolaten finanziellen Situation das Leben nahm. Stamm hatte Grabowsky angekündigt, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen, und dieser musste annehmen, dass dies das Ende seines geliebten Theaters bedeuten würde. Man kann sich kaum vorstellen, dass Hugo Stamm aufgrund der zwar häufig verdrängten, aber dennoch vorhandenen neptunischen Sensibilität, die sein Horoskop zeigt, solche Dinge einfach wegstecken kann. Sie dürften zumindest kurze Momente des Zweifels erzeugen, bevor die widderhafte Energie zu neuem Tatendrang anspornt.

 

Gemeinsamkeiten der Beispiele von Astrologiegegnern

Die besprochenen Horoskope zeigen folgende Gemeinsamkeiten:

  • Alle drei weisen Spannungsaspekte des Neptun entweder zum Mars oder zu mindestens einem Planeten im Widderzeichen auf.
  • Die kardinalen Zeichen sind stark besetzt, und sie beherbergen die zum kardinalen Handeln im Widerspruch stehende Neptunenergie.
  • Das Bedürfnis nach Anerkennung ist bei allen drei Horoskopen stark ausgeprägt: Waagebetonung mit Mond im Widder (Wiechoczek), Widderbetonung mit Venus/Mars in Widder und Neptun in Opposition dazu in Waage (Stamm) oder Merkur in Widder am DC in Spannung zum Neptun, begleitet, von einer Mars/Venus-Konjunktion, Herrscherin über AC/DC (Bok).
  • In zwei Fällen beobachten wir eine Mars/Venus-Konjunktion.
  • In zwei Fällen liegt der Merkur auf der Fische/Jungfrau-Achse (im Bereich von 20 – 25 Grad).
  • In zwei weiteren Fällen macht Jupiter ein Quadrat zur Knotenachse.
  • In allen drei Beispielen ist Uranus stark gestellt, und er steht in Verbindung mit dem Merkur (Quadrat Merkur bei Bok und Stamm, unaspektiert im Zwillingezeichen bei Wiechoczek).

Unabhängig von astrologischen Konstellationen zeigen alle drei Persönlichkeiten Charakteristiken des so genannten „Skeptiker-Syndroms“, wie es der langjährige Fachbereichsleiter und Mitglied des Verwaltungsrates der GWUP sowie Redaktionsleiter des „Skeptiker“, Edgar Wunder, der 1998 aus diesen Funktionen zurücktrat, definiert hat. Dazu einige Worte in der nächsten Nummer von ASTROLOGIE HEUTE.
 

Fussnoten

1 Paul Feyerabend / Erkenntnis für freie Menschen, Suhrkamp, 1979, S. 156, Kapitel 6: «Die seltsame Geschichte von der Astrologie»

2 idem S. 158

3 Zitiert in Eysenck/Nias: Astrologie – Wissenschaft oder Aberglaube, 1982

4 Paul K. Feyerabend: Erkenntnis für freie Menschen, a. a. O., S. 163

5 Jean Claude Weiss, Eine Wissenschaft von Raum und Zeit, Edition Astrodata, 1987, S. 43f.

6 Astro, Logik + das Duell der Deuter, http://archiv.foebud.org


Claude Weiss, beschäftigt sich seit 40 Jahren mit Astrologie; Herausgeber der Zeitschrift ASTROLOGIE HEUTE; gründete 1978 die Astrodata AG, welche astrologische Textanalysen anbietet; Präsident des Schweizer Astrologenbundes SAB; Autor der Bücher «Horoskopanalyse» Bd.1 & Bd.2, «Pluto – Eros, Dämon und Transformation» (mit Verena Bachmann), «Karmische Horoskopanalyse», Bd.1 & Bd.2, u. a. (E-Mail: Claude Weiss)