Astrologie Heute Nr. 140 (August 2009)
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Astrologie Heute Nr. 140
August 2009

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 140 bestellen
Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 
«Geschlossene Türen»

 
von Barbara Egert
 

 
Ursel braucht ungefähr 20 bis 30 Sekunden, ehe das Gesagte wirklich bei ihr ankommt. – «Wieso eigentlich?», fragt sie mich, und ich erkläre ihr, dass ihr Merkur unaspektiert ist. Das sagt ihr, der Astrologie-Unkundigen, gar nichts. Also erzähle ich ihr, dass sie sich ihr Horoskop wie einen grossen runden Flur vorstellen solle mit vielen Türen. Ihr Merkur in Fische hänge da in seinem Zimmer Nummer zwei herum, ganz versunken in ferne Welten und müsse erst mal erwachen und sich aufraffen, um die Tür zu öffnen. Von den Mitbewohnern helfe dem Armen niemand, deshalb dauere es ein bisschen, bis eine Botschaft bei ihm ankomme …
 
«Und die anderen Planeten bzw. Flurbewohner?», fragt Ursel neugierig. Also schildere ich ihr, wie ihr Mars, Saturn und Pluto grimmig und Ungutes ausbrütend in ihrem verdunkelten Zimmer hinter der Tür mit der Nummer acht sitzen und finstere Pläne schmieden, wie sie ihre Entwicklung ankurbeln könnten. Ab und zu öffnen sie die Tür und machen sich über die Venus im Raum vier her, die immer mal wieder ängstlich durch den Türspalt lugt, ob die drei es wieder auf sie abgesehen haben. Meistens hält sie die Tür geschlossen, um gefährliche Gefühle abzuwehren und sich ungestört an die Schrecklichkeiten ihrer Beziehungen zu erinnern. Aber dann – dann kommen sie hinterrücks durch die Verbindungstür, ziemlich böse, denn ihr Klopfen werde nicht gehört oder besser überhört.
 
Auch Mond und Neptun sitzen nahe beieinander gerückt in ihrem Zimmer und heulen wegen der miesen Kindheit und der mütterlichen Enttäuschung. «Aber ich bin doch schon über 60 Jahre», überlegt Ursel, «wieso heulen die denn immer noch?» – «Du musst sie befreien», rate ich ihr. Sie solle da am besten mal reingehen und ihnen sagen, dass sie endlich mal aufhören sollen mit dem Gejammere. Sonst würden Pluto & Co. aus der Acht kommen und sie aufmischen. Besser wäre, sie würden endlich erwachsen.
 
«Wie ist das denn bei dir – hast du auch so schreckliche Sachen in deinem Horoskop?» Oh je, wie soll ich das erklären? In meinem Zimmer mit der Nummer zwölf hängen sechs Gestalten herum, die manchmal ganz eng zusammenrücken müssen, um sich nicht verloren zu fühlen und den Realitäten der bösen Welt gewachsen zu sein. Manchmal schwärmen sie auch von höheren Sphären und verlieren sich in Meditation und Träumen von fernen Dimensionen. Neptun und Merkur erzählen Gute-Nacht-Geschichten, und Jupiter ist immer kurz davor, endlich den Sinn des Lebens zu finden, und spekuliert mit Neptun über erhabene Möglichkeiten. Merkur denkt zwar manchmal: «Die spinnen!», ist aber sensibel genug, um den Mund zu halten. Gerade wenn’s besonders beschaulich ist, kommt Mars hereingestürmt und platzt ohne Vorwarnung in die Idylle.
 
Als erster reagiert noch Merkur und raunzt ihn an, ob er verrückt geworden sei! Jupiter fragt sich gutwillig, was Kollege Mars denn wohl im Sinn habe und ob man nicht was daraus machen könne. Aber Mars wartet nicht ab, ob ihn jemand ablehnt oder willkommen heisst, er zerrt die vergeistigten Gestalten beim Schopfe und stösst sie – ungeachtet des Protestgeschreis – ins arbeitsame Leben. «Carpe diem!», ruft er, und einmal aufgerüttelt, werden Sonne, Jupiter und Merkur ganz hektisch, stürzen sich in jedwede Aktivität und sind kaum noch zu bremsen.
 
Zurück bleiben Mond und Neptun, die Mars aus seinem 90°-Blickwinkel glatt übersehen hat. Sie entspannen sich in der plötzlich eingekehrten Ruhe, aber ein bisschen unheimlich ist ihnen die Zweisamkeit dann doch. Also lesen sie Rilke und hören Chopin, ihnen wird ganz wehmütig und sehnsuchtsvoll um Herz, bis es plötzlich an die Wand klopft: Venus im Zimmer nebenan nörgelt mal wieder herum (solange eine Jungfrau-Venus nörgelt, ist noch nicht alles zu spät …), sie sollen die Musik leiser stellen, das sei ja nicht zum Aushalten. Wahrscheinlich, vermuten Mond und Neptun intuitiv, hat sie mal wieder Stress mit Uranus, der sie aus seinem quadratischen Blickwinkel mit seiner Eigenwilligkeit und Unberechenbarkeit reizt.
 
Ursel schmunzelt vor sich hin: «Das ist aber eine illustre Gesellschaft in dir. Hab ich denn auch einen Jupiter?» – «Klar, jeder hat einen Jupiter!» Ich rate ihr, zur Erholung ab und zu in ihr Zimmer Nummer eins zu gehen, in der guten und optimistischen Atmosphäre Kraft für neue Ideen zu finden und sich an all dem Guten zu erfreuen, welches das Leben für sie bereithält. Die Tür, hinter der Jupiter es sich gemütlich macht, sollte eigentlich immer ein bisschen geöffnet bleiben. – «Vielleicht schickst du den auch mal zu den beiden Heulsusen in Zimmer zehn …»
 


 
Barbara Egert,
geprüfte Astrologin DAV; jahrzehntelange Astrologie-Erfahrung; astrologische Beratungen und Kurse in Berlin; diverse Fachpublikationen; Autorin von Galiastro-Texten; neues Buch: «Kindheitserfahrungen im Horoskop»; ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE (E-Mail: Barbara Egert)