Astrologie Heute Nr. 157 (Juni 2012) - Editorial
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Astrologie Heute Nr. 157
Juni 2012

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 E  D  I  T  O  R  I  A  L  

 

 

Armando Bertozzi

Die alte Frau setzte sich an unseren Nebentisch, entschuldigte sich mit angedeuteter Verbeugung und machte uns Komplimente. Wie gut wir aussähen, was für hübsche Kleider wir hätten, wie nett wir seien. Wir kannten die Frau nicht, ich und meine Begleiterin, die auch schon gegen die 90 geht. Die Frau am Nebentisch, wohl um die 80, sprach ungebeten zu uns: Wir hätten sicher ein nettes Gespräch, ihr Mann sei schon vor 30 Jahren gestorben, der Kaffee hier sei wirklich gut. Wörter wie Treibholz eines einmal intakten Lebens. Sie hatte bunte Wollsocken über ihren Schuhen und trug ein ältliches Kleid zwischen Lila und Braun. Eine extravagante Mischung aus Skurrilität, Einsamkeit und abgestandener Zeit. Zwei Augen wie Gestein, mit roten Rändern, der Blick zersplittert.

Man sollte den Augenblick aushalten können, doch das konnte ich nicht. Wir warteten etwas hilflos und zurückweisend ab, schauten weg, hatten keine Lust, das Stück Verlorenheit aufzufangen. Wir nahmen unser Gespräch stockend wieder auf. Die Frau blieb auf ihrem Stuhl wie ein vergessener Mantel am Haken. Auseinandergebrochenes Leben. Etwas Irritierendes war mit ihr in das helle, weitläufige Café getreten an diesem Himmelfahrtsmorgen. Das Gespenst unbewältigter Vergangenheit umflorte sie.

Die Alte am Nebentisch war wie das fleischgewordene Abbild der gerade rückläufig gewordenen Zwillinge-Venus, in ihrer traurigen Gestalt. Themen wie vergangene Liebe, Beziehungslosigkeit, Disharmonie, Verlust von Nähe, Verarmung, Unzufriedenheit, gefährdete Existenz. – Dem bisher astrologisch noch nicht gross erforschten Phänomen eines sichtbaren Durchlaufs der Venus vor der Sonne, das paarweise nur alle 113 bis 130 Jahre auftritt und am 5./6. Juni zu beobachten ist, widmet sich Claude Weiss in seinem Artikel «Der aussergewöhnliche ‹Transit› der Venus vor der Sonne und die rückläufige Venus-Schlaufe». [S. 24 ff.] Dabei stellt er erstaunliche Korrelationen zwischen dieser speziellen Art einer Sonne/Venus-Konjunktion und epochalen wirtschaftlichen Um- und Einbrüchen, Kreditwürdigkeit und Wertewandel fest. (Der im letzten Heft angekündigte letzte Teil seiner Serie «Der Uranus/Pluto-Zyklus von 1850 bis 1965» muss aus Platzgründen auf die nächste Ausgabe von ASTROLOGIE HEUTE verschoben werden.)

Venus-Themen sind noch weitere zu finden in diesem Heft. Verena Bachmann fragt in ihrem Artikel «Was bedeutet Beziehung?» und schildert die grundlegende Dynamik im Beziehungsverhalten der Menschen entsprechend der Elemente und Häuser sowie der Venus im Horoskop. [S. 42 ff.] Kunst, Harmonie, Form und Schönheit als weitere Venus-Manifestationen zeigen sich in der verblüffenden Kongruenz von Sphärenbildern langer Planetenzyklen mit den ausgependelten Werken der Schweizer Heilerin, Künstlerin und Visionärin Emma Kunz. Alexandra Klinghammer schildert in ihrem Beitrag «Kosmische Kunst» [S. 38 ff.] den Moment ihrer Entdeckung und zeigt einige betörende Beispiele solcher «Bildpaare». Wie oben, so unten, gilt auch für dieses Phänomen harmonischer Gestalt(ung), ausgewogenem Sein, allgegenwärtiger Bezogenheit – dem schönsten Kleid der Venus.

Armando Bertozzi
Redaktor

  


Armando Bertozzi, von 1976 bis 1981 Kurse in Astrologie, Alchemie und Kabbala; 1980 bis 1988 Redaktor und Mitherausgeber von Essentia, der Zeitschrift für evolutionäre Ideen; seit 1989 Chefredaktor von ASTROLOGIE HEUTE (E-Mail: Armando Bertozzi)