Astrologie Heute Nr. 159 (Oktober 2012)
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Astrologie Heute Nr. 159
Oktober 2012

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 159 bestellen
Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 

Spieglein, Spieglein an der Wand …
 
von Barbara Egert
 

 

Früher spiegelten wir uns als «Glanz im Auge der Mutter», die sich vor Begeisterung und Freude über unser Dasein kaum halten konnte. Ob schreiend und quengelnd, spuckend und quietschend, wir waren willkommen und wurden so zu selbstbewussten und uns selbst liebenden Töchtern und Söhnen. – Was erzähle ich denn da? Und wo bleiben Saturn & Co., unsere narzisstischen Frühschäden? Wenn Spiegel reden könnten …

Ich habe diese Nacht schlecht geschlafen, wache zerschlagen auf, wanke ins Badezimmer, schaue in den Spiegel: Wer ist das denn? Vor Schreck fällt mir die Zahnbürste aus der Hand, fassungslos wage ich einen zweiten Blick und ziehe eine Grimasse. Dabei soll man vor dem Spiegel nichts Böses sagen und auch sich selbst nicht kritisieren, denn er spiegle das Gesagte. Zu spät!, ich hab zwar nichts gesagt, aber mein Blick sagt alles. Vielleicht hat mir das ja meine Mutter beigebracht, als sie mich spiegelte, wenn ich ihr nach stundenlangem Gebrüll tatsächlich auf die Nerven ging? Oder ist es nur eine Tagesform: Saturn läuft im Quadrat über meine Venus, und ich kann mich nicht ausstehen, und weil ich mich grundsätzlich mag, kann ich nun andere auch nicht leiden.

Aber gerade die halten mir den Spiegel vor: der Rowdy, der mir die Vorfahrt nimmt, meine Kollegin, die schimpfend in die Tasten haut und mich nervt, und sogar meine Freundin am Telefon reagiert auf mich gereizt: «Was ist denn mit dir heute los!, puh, hast du aber schlechte Laune!» – «Ich? Du bist schlecht drauf!» Auf meinem Heimweg schaue ich in die mich spiegelnde Scheibe eines Geschäfts. Das schöne Kleid, das ich mir letztens kaufte, sieht aus wie ein Sack – und überhaupt: alles Mist. Und meine Mutter ist schuld, denn sie hat mich in den ersten zwei Lebensjahren nicht ausreichend positiv gespiegelt. Kein Wunder, mit ihrem Saturn im siebten Haus und dem Mond/Uranus-Quadrat?… Da haben wir unsere Schuldige und fühlen uns gleich besser. Ist es nicht gut, dass wir immer jemanden finden, den wir lebenslänglich für unsere Negativität und alle Macken und Zicken verantwortlich machen können?

Wir sind doch nicht etwa narzisstisch gestört und behandeln Menschen so, wie wir selbst nicht behandelt werden möchten? Wir müssen ja nicht gleich so selbstverliebt wie Narziss sein, der sich an seinem Spiegelbild ergötzt, ohne erkennen zu können, dass es nur sein Abbild ist, das er so bewundert, und im Versuch, sich im Teich zu umarmen, neptunisch ertrinkt. Man kann das Bildnis von sich selbst nicht festhalten, die Zeit verrinnt, alles vergeht, zerrinnt. Schönheit und Jugend gehen dahin … Der Melancholiker weiss darum, und Venus/Neptun lächelt traurig.

Ein neuer Tag, ein fröhliches Erwachen: Mond geht über meinen Jupiter. Ausgeschlafen und voller Schwung suche ich mir die passende Kleidung für diesen wunderbaren Tag. Die teuren Marken-Jeans mit dem schicken T-Shirt, ein Duft aus Gräsern und Moschus umweht mich. Ich sehe top aus, und alle bestätigen mir das, gute Laune überall, wo ich auftauche. Als ob tausend Spiegel meine Hochstimmung reflektierten. Ob wir dabei auch an unsere Mutter denken und die positive Erfahrung mit ihr? – Wer will denn so kleinlich sein, Spiegelung hin und Selbstbespiegelung her, wir haben doch alle unsere Stimmungen …

… Wie Susi, die mich seit längerer Zeit mal wieder besucht und mich gleich entsetzt fragt, ob wir einen neuen Spiegel im Fahrstuhl hätten. «Nein, den kennst du doch, der ist schon seit dem Bau dieses Hauses, also seit 70 Jahren, da angebracht.» – «Mindestens so alt sehe ich darin auch aus», schimpft sie, «und die diffuse Beleuchtung dazu, die macht mich ganz bleich und zerknittert, ich sehe aus wie eine Moorleiche.» Eigentlich ist sie ganz realistisch mit ihrer Jungfrau-Betonung, aber da gibt es auch noch ein Jupiter/Neptun-Quadrat, und damit idealisiert man nicht nur andere, sondern auch sich selbst – bis an einem Schlechte-Laune-Tag die Ernüchterung kommt. Aber ist das so wichtig? Narziss lässt grüssen …

Wenn man jedoch einige Tipps befolgt, die von abergläubischen Menschen wärmstens empfohlen werden, kann man vielleicht das Schlimmste verhindern. Man dürfe zum Beispiel niemals in einen zerbrochenen Spiegel schauen, denn da sehe man den Teufel. Ich stelle mir das vor: Neptunisch schlaftrunken blinzele ich in den Badezimmerspiegel, der unten links eine Bruchstelle hat und – sehe einen Teufel! Mich!

Mars/Uranus-Aspektierte, die bekanntlich schlecht schlafen, sollten einen grossen Spiegel mit der Spiegelseite nach unten unter das Bett legen (andersherum würde er Einflüsse auf den Schlafenden zurückwerfen). Und Vorsicht auch bei Schwangeren und Frauen, die gerade geboren haben: Wenn sie in den Spiegel gucken, sähen sie ihr offenes Grab. Noch dramatischer wird es, wenn man überhaupt kein Spiegelbild hat, denn dann ist man nach der Überlieferung ein Vampir.

Und zuletzt eine Warnung für alle, die gerne lesen: «Ein Buch ist ein Spiegel, aus dem kein Apostel herausgucken kann, wenn ein Affe hineinguckt.


 
Barbara Egert,
geprüfte Astrologin DAV; jahrzehntelange Astrologieerfahrung; astrologische Beratungen und Kurse in Berlin; diverse Fachpublikationen; Autorin von Galiastro-Texten; Bücher: «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE (E-Mail: Barbara Egert)