Astro-logische Merk-Würdigkeiten
Geduld, Geduld!
von Barbara Egert
Als mir neulich in einer mondhellen Nacht eine Fee erscheint, bin ich zunächst äusserst irritiert, weil ich bisher glaubte, Feen seien längst ausgestorben und es handle sich bei der Erscheinung um ein ganz gewöhnliches Gespenst mit irgendeinem astrologischen Anliegen. Doch das Gespenst ist eine echte Fee, die mir auch sogleich drei Wünsche offeriert. Daran erkennt man, ob sie echt sind, denn eine falsche Fee beginnt jedes Gespräch mit einem «Könnten Sie nicht mal eben …?» Und wer kann da schon widerstehen?
Als Erstes wünsche ich mir Geduld, weil ich, nein: mein Mars in mir damit ein Problem hat, und Uranus zappelt auch schon wieder ganz enerviert. «Allerdings», gebe ich zu bedenken, «möchte ich davon nur so viel, dass es nicht langweilig wird.» – Ralf zum Beispiel hat, zumindest aus meiner Sicht, entschieden zu viel Geduld. Nichts bringt ihn aus der Ruhe, und er macht mich damit ganz nervös. Im Supermarkt stellt er sich grundsätzlich an der allerlängsten Schlange an, und ist er endlich an der Kasse angelangt, sucht er in aller Seelenruhe sein Portemonnaie, und wenn er es endlich gefunden hat, fällt ihm ein, dass er noch etwas vergessen hat, entfernt sich langsam aus der Schlange, die ihm nachsieht wie ein vielköpfiges Ungeheuer. Dabei pflegt er doch nur seinen Saturn, lässt ihm freien Lauf, und der ist nun mal verlangsamt.
Geduld hat er auch mit seinem Outfit, das sich in den zwei Jahrzehnten, die ich ihn kenne, kaum verändert hat. Warum auch? Was zerfallen will, zerfällt. Warum also eingreifen? Bloss keine Hektik! Was mir an ihm sehr gefällt, ist seine Geduld bei der Lösung des Parkproblems. Klaglos umrundet er wieder und wieder den Block, als stünde alle Zeit der Welt ihm zur Verfügung. Endlich, da ist sie ja, die ersehnte Lücke. «Was ist schon eine halbe Stunde angesichts eines Lichtjahrs?» – Na gut, so kann man es auch sehen. Ich werde immer kribbeliger, er ist die Ruhe selbst.
Wenn er dann noch mit solch ewigen Weisheiten glänzt wie: «Gut Ding will Weile haben», finde ich das schon fast wieder komisch, und ich lächle nachsichtig über seinen etwas skurrilen Saturn, der ja auch ganz nette Seiten hat. Beispielsweise die Seite, die man braucht, wenn man mit Fruchtfliegen arbeitet. Was wären die Entdecker der DNA-Doppelhelix-Struktur – Watson und Crick – ohne Drosophila melanogaster? Die gilt nämlich als ideales Versuchstier für genetische Forschungen. In kleinen Gläsern züchtet man sie, ihre Generationsdauer beträgt nur etwa zehn Tage, und man rechnet mit einer hohen Nachkommenzahl von etwa 400 pro Generation. Der Ungeduld des Forschungsobjekts bei der Reproduktion sollte die unendliche Geduld ihrer Erforscher entsprechen, die nun mal häufig mit Merkur/Saturn gesegnet sind. Wer etwas über Mutation wissen will, hier ist er richtig. Ich auf keinen Fall, schon nach der dritten Generation wäre ich auf und davon.
Noch habe ich zwei Wünsche frei. «Also mit der normalen Geduld und mir, das wird wohl nichts. Besteht auch die Möglichkeit einer Fifty-Fifty-Lösung?» – «Kein Problem», meint die Fee, «das wäre dann Wunsch Nummer zwei.» Schon beginnt der Zauber zu wirken: Alles Marsische und Uranische scheint mich zu verlassen, auch von Merkur keine Spur mehr, nur noch sich mehrendes Gähnen. Ein Espresso muss her, aber der gibt mir den Rest. Wahrscheinlich einer mit paradoxer Wirkung. So also fühlt man sich bei halbierter Geduld?
Noch habe ich ja einen dritten Wunsch frei. Ich wähle ihn mit Bedacht, denn wer weiss, wann die Fee mal wieder vorbeischaut. Also wünsche ich mir diesmal: «Lass alles so, wie es war!» Sie sieht mich verwundert an, aber nicht zu sehr, denn solche dritten Wünsche scheint sie zu kennen. «So sei es», haucht sie und schwebt in ihr Schloss in Island zurück.
Wahrscheinlich verdanke ich die Begegnung mit ihr einem Neptun-Aspekt und dem Vollmond, der wohl bei solchen Wesen die Lust, in Erscheinung zu treten, anregt. Leider werden Auftritte dieser Art immer seltener, und wenn, dann hält man sie eher für ein Gespenst auf der Durchreise oder eine Ausserirdische in geheimer Mission. Die Wahrheit erraten wir nur unter einem starken Neptun-Transit: Sie kommen aus Island und leben dort in einer Feenschule, wo es manchmal wild zugeht, denn manche leben dort in wilder Ehe mit einem Troll.
Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung, lebt und arbeitet in Berlin; Bücher: «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009), «Wenn die Kindheit Schatten wirft. Beziehungen. Hochsensibilität. Narzissmus» (2014); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert