Astro-logische Merk-Würdigkeiten
Ticks und andere Gewohnheiten
von Barbara Egert
Zum Glück hat jeder andere Gewohnheiten. Zum Beispiel beim Lesen. Unter Jupiter etwa pflegt man ein ganz spezielles Verhältnis zu Büchern: Man sammelt sie eher, statt sie zu lesen, mag ihre Anhäufung allüberall in der Wohnung, erfreut sich einer Fülle, die einen hin und wieder stolpern lässt. Deshalb bloss keine dürren Gedichtbände zum Geburtstag, eher die dicken Wälzer. Dieses «Wer hat, der hat», wie beispielsweise die Vorratskammer eines Stiers, macht andere schwindlig, denn …
… es gibt Saturnier, die sich auf ein Buch pro Jahr beschränken, möglichst ein Sachbuch, damit man auch «was davon hat». Er zitiert dann aus diesem Buch, das mit Randbemerkungen versehen ist, und kann einem gehörig auf die Nerven gehen. Und Jungfrauen haben noch das Lesezeichen parat, damit das Buch frei von Eselsohren bleibt. Das wird in widerstandsfähiges Papier eingebunden, damit noch kommende Generationen sich an dem schönen Einband erfreuen können. Bei Neptuniern muss man immer wieder nachfragen, ob man vom gleichen Buch spricht, wenn man sich mit ihnen unterhält. Deren Gewohnheit ist es, ihre Gewohnheiten zu vernebeln; nur die nicht, in allem das ozeanische Rauschen des Ewigen zu vernehmen. Pluto/Merkur zerpflückt, was Uranus/ Merkur ihm visionär erläutert, Mars schwingt bereits seine Schlagzeilenkeule, Neptun ist wie immer ganz woanders, Merkur/Mars mokiert sich über Neptuns Gewohnheit, immer ganz weit weg zu sein.
Am schlimmsten finde ich ansteckende Gewohnheiten. Gut, das mit dem ansteckenden Gähnen kennt man ja. Wenn sich nun einer kratzt, löst das bei mir sofort Juckreiz aus, sicher Merkur/Mars oder Merkur/Uranus. Wer etwa aus Versehen unter einer Leiter durchspaziert – soll ja vorkommen – und glaubt, das bringe Unglück, der muss dann nochmal zurück und unten durch, um das Übel wieder loszuwerden. Dann fehlt nur noch, dass auf der Leiter ein fröhlicher Handwerker steht, der pfeift. Hoffentlich ist es nicht der Ehemann, denn die Angewohnheit zu pfeifen, ob melodisch oder dissonant, nervt total.
Untersuchungen haben ergeben, dass im Zuhörer der Wunsch entsteht, die pfeifende Geräuschquelle sofort und effektiv unschädlich zu machen. Das sind entweder die sonnigen, immer etwas highen Jupiter-Geprägten, mit oder ohne Neptun oder Mars, oder die ganz Schüchternen mit Venus/Saturn am Deszendenten, die sich selbst Mut zupfeifen müssen. Ok, aber ohne mich, sonst rastet mein Mars aus und … siehe oben.
Ach ja, und die Jungfrauen: Ich habe letztens gelesen, dass jemand Fischstäbchen nur essen kann, wenn sie auf sechs Seiten gebraten wurden. Wie man das bewerkstelligen soll, ohne dass sie auseinanderfallen, ist mir ein Rätsel. Perfektion macht eben auch nicht vor Fischstäbchen halt. Was ja sehr ordentlich aussehen mag, aber doch etwas jungfräulich-zwanghaft daherkommt (abgesehen vom ewigen Staubsaugen und Staubwischen), ist das Kämmen der Teppichfransen. Dazu kann man kurz und schnell entschlossen (wie ich) die Finger nehmen, einmal da durchziehen, etwas schütteln, und es stimmt in etwa. Nein, unsere Jungfrau braucht dazu einen speziellen grobzinkigen Kamm. Früher hatte ich einen Kollegen, der ständig damit beschäftigt war, Bleistifte, Radiergummi, Zettel und andere Schreibtischutensilien exakt gerade aneinander auszurichten. Dann gibt es noch Venus in Löwe, die kokett mit den Augen plinkern, oder Merkur/Mars in Fische, die ganz unschuldig plinkernd kleine Boshaftigkeiten loswerden müssen, oder die Zwillinge und Uranier, die zappend vor dem TV sitzen und die Familie an den Rand der Verzweiflung bringen, etc.
Auch astrologischer Übereifer und ein stets offener Sinn für die Enträtselung der Welt kann zum Tick werden: Ist Schillers Inspirations-Apfel nun eine Marotte, die zwanghaft wurde und irgendwann so oder so zum Tell-Apfel führen musste, oder ein harmloses Ritual? Wie das von Scott Fitzgerald, der jeden Tag versuchte, wenigstens für eine gewisse Zeit nüchtern zu schreiben?
Der geniale Pianist Glenn Gould ging nie vor fünf Uhr früh zu Bett, doch das war noch der harmloseste seiner legendären Spleens. Man kann ihn noch heute auf YouTube erleben: Da sitzt er auf seinem wackligen Stuhl mit exakt 33 cm Sitzhöhe, horcht konzentriert in sich hinein und summt und summt und summt … Sein Weg eben zu Bach und sich selbst zwischen Originalität und Tradition: Uranus Quadrat Saturn! Seine Tontechniker müssen gelitten haben unter dieser Marotte. Er war so kritikempfindlich (Chiron/Merkur), dass er Interviews Wort für Wort lieber selbst verfasste. Wer ihm lauscht, vergisst seine Allüren, Ticks und Marotten und erspürt in seinem Spiel, dank der engen Konjunktion von Jupiter und Neptun, noch immer etwas von der Leichtigkeit des Seins.
Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung; Bücher: «Astro-logische Merkwürdigkeiten – Kolumnen» (2017, nur bei Amazon erhältlich), «Wenn die Kindheit Schatten wirft: Beziehungen, Hochsensibilität, Narzissmus» (2014), «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert