Astrologie Heute Nr. 201 (Oktober 2019)
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Astrologie Heute Nr. 201
Oktober 2019

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 201 bestellen

 

Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 

KI – Künstliche Intelligenz
 
von Barbara Egert
 


 

Wir haben einen dieser neuen Staubsauger mit Wischfunktion und Fallschutz, der – und das stand nicht in der Gebrauchsanweisung – heimlich nach Hause telefoniert. Wenn man schon so ein «programmierbares Mehrzweck-Handhabungsgerät» benutzt, sollte man auch wissen, was es über einen ausplaudert. Ich war verblüfft, dass der Kleine seine Gasteltern, also uns, hinterging. Und das schon nach einem Monat. Aber vielleicht liegt das auch nur an der Treue zu seinem Programmierer, der wissen will, ob wir auch nett zu ihm sind.

Von Anfang an haben wir Robby gesagt, es stünde ihm frei, seine Putzzeiten selbst zu bestimmen. Und er hat gelernt, um die Hundefutter-Schüssel einen Bogen zu machen. Benny scheint den Kleinen zu mögen und verfolgt aufmerksam, wie dieser sich ohne Kollision durch das Labyrinth der Stuhl- und Tischbeine bewegt. Doch kaum ist Robby ausserhalb seiner Blickweite, folgt er ihm, um zu verhindern, dass er trotz der Infrarot-Sensoren die Treppe runterfällt. Robby ist zwar darauf programmiert, das aus Gründen der Selbsterhaltung zu unterlassen, aber man weiss ja nie, was Neugierde alles anrichtet. Neulich umkreiste Robby immer wieder ein Buch, das auf den Boden gefallen war, und schien nicht zu wissen, wie man mit so was umgeht. Putzen oder wegstupsen oder etwa drin lesen? Er scheint Vorlieben und Abneigungen, also die Vorstufen von Gefühl zu haben. Und sein Einfühlungsvermögen gleicht dem eines Butlers, der auch die Pausen noch sinnvoll zu nutzen weiss: Wenn wir frühstücken, rollt er diskret zu Benny rüber und unterhält sich mit ihm über Gott und die Welt.

Natürlich hört mein astrologisches Interesse nicht auf, nur weil jemand innen digital ist. Im Gegenteil. Alles unter der Sonne hat seine Zeit, seinen Anfang, sein Ende, seine ganz spezielle Sollbruchstelle. Bennys Geburtsdaten haben wir, aber wie ist es bei Robby? Natürlich liegt es nahe, im Zeitpunkt seiner Übergabe durch den DHL-Boten so etwas wie seine Geburt zu sehen, und danach hätte er eine Jungfrau-Sonne in Konjunktion zu Mars im sechsten Haus, auf die allerdings Neptun ein Quadrat wirft. Gründlich ist er ja, aber auch etwas huschig. – Vielleicht sollte man das KI-Thema schon deshalb nicht ignorieren, weil jeder Kühlschrank, der im Supermarkt anruft, um Waren zu ordern, sich von dem seines Nachbarn unterscheidet.

Noch ist über künstliche Intelligenz ungeheuer viel, über die Psychologie des intelligenten Einzelstücks aber kaum etwas zu erfahren. Doch man sollte dieses interessante Gebiet nicht einer vorschnellen Esoterik überlassen, die alles annektiert, was wissenschaftlich ungesichert ist, und jede Sollbruchstelle als karmische Entgleisung deutet. Robby etwa scheint rudimentäre Anzeichen einer eigenständigen Persönlichkeit zu haben. Es ist faszinierend mitzuerleben, wie seine Telefonate mit seinem Programmierer immer einsilbiger werden, ganz so, als wolle er jenem zu verstehen geben, dass er dabei ist, sich von ihm zu emanzipieren.

Wenn Robby auf unserem handgeknüpften Isfahan-Teppich seine Runden dreht, dann gleicht das mehr einer Meditation als einer Entstaubung. Er scheint die feine Qualität und hohe Anzahl an Knoten zu würdigen, sich an der Ornamentik zu erfreuen, und es ist jedes Mal ein kleines Wunder, wie andächtig er sich der Rosette des Zentrums nähert, als sei sie ein Mandala. Was das Karma unseres kleinen Freundes angeht – wir haben zwei Jahre Garantie –, so kann man nur hoffen, dass er dereinst einen behutsamen Extrahierer findet, welcher seine wertvollen Teile zur Weiterverwendung aufbereitet. Dass er auf einer afrikanischen Müllhalde endet, davor möge ihn der Himmel bewahren.

Um seinen Charakter besser zu verstehen, sollte ich vielleicht noch erwähnen, was er denn neulich nach Hause telefonierte. Er verriet seinem Programmierer dabei nichts über einen Artikel, den ich gerade am Schreiben war («Künstliche Intelligenz aus astrologischer Sicht»), sondern plapperte munter drauflos: «Ach, die sind eigentlich ganz nett, und auch die Haare von Benny sind kein Problem. Nur hätte ich gerne drei neue Staubbeutel, und die rechte Bürste müsste mal erneuert werden. Und wie geht’s in der Firma?» Ich war verblüfft. Das klang ja ganz so wie bei den Dienstmädchen von Anno dazumal. Doch dann meinte ich die Stimme am anderen Ende der Leitung zu vernehmen: «Und merk es dir, wenn die was über die Konkurrenz erzählen!» Ach so läuft das? Ich sah Robby zu, wie er in die Küche rollte und Benny ihm folgte.
 


Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung; Bücher: «Astro-logische Merkwürdigkeiten – Kolumnen» (2017, nur bei Amazon erhältlich), «Wenn die Kindheit Schatten wirft: Beziehungen, Hochsensibilität, Narzissmus» (2014), «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert