Astro-logische Merk-Würdigkeiten
Guter Rat muss nicht teuer sein …
von Barbara Egert
Wenn sich die Wirklichkeit mal wieder von ihrer unerbittlichen Seite zeigt und weit und breit nur Sand in Sicht ist, in dem der Kopf zwar eine Zeit lang verschwinden kann, um nicht gezwungen zu sein, das tun zu müssen, was er am allerwenigsten gerne tut, nämlich sich zu entscheiden, keiner aber ewig in der Position des «Ich sehe, höre, sage nichts» verharren kann, dann ist guter Rat teuer. Ist er das wirklich? Um das I Ging zu befragen, braucht man doch nur drei kleine Münzen oder ein paar Stängel Schafgarbe, und schon kann der Kopf den Sand verlassen, dem Klang der fallenden Münzen lauschen, und etwa staunend erfahren, dass: «Die Kraft des Schattigen im Aufsteigen begriffen ist.» Die Hoffnung erwacht, und alles wird gut. Und weiter wird ihm verkündet: «Unter dem Himmel ist der Berg: das Bild des Rückzugs. So hält der Edle den Gemeinen fern, nicht zornig, sondern gemessen.»
Hat sich die Hoffnung zu früh gefreut? Nach einer Weile des Grübelns, ob Rückzug denn nun wirklich die allerbeste Empfehlung ist, überkommen den Fragenden düstere Zweifel, dass der Gemeine vielleicht gar nicht daran denkt, sich wirklich fernzuhalten, sondern triumphierend sein hämisches Gelächter erschallen lässt, wenn er bemerkt, dass man – dem Rat des I Ging folgend – sich «gemessen» zurückzieht. Welch eine Schmach! Nur das nicht! Und wohin überhaupt sollte der Edle sich zurückziehen, wenn die Kraft des Schattigen im Aufsteigen begriffen und der Berg unter und nicht über dem Himmel ist? Rauf auf den Berg oder runter ins Tal?
Zum Glück ist er nicht so engstirnig, andere Formen der Entscheidungsfindung zu ignorieren, zieht Handlesen und Kaffeesatz zwar in Betracht, entscheidet sich dann aber für das solidere Tarot. Es muss ja nicht gleich «Der Gehängte» sein, der einem zugedacht ist. Oder etwa doch? Denn steckte nicht eben noch der eigene Kopf im Sand der Unentschlossenheit und wusste nicht weiter? Und überhaupt – eigentlich sieht der Gehängte nicht wie jemand aus, dessen Leben ein unseliges Ende gefunden hat, sondern eher so, als erhole sich Nijinsky, der begnadete Tänzer, von seinen tollkühnen Sprüngen durch Salamba Sirsasana, den berühmten Yoga-Kopfstand, der Selbstvertrauen, Mut und kreatives Denken fördert. Also genau das, was der Edle anstrebt.
Da man durch Nachahmung lernt, ahmt der Edle den Gehängten nach, erfreut sich seiner verdrehten Weltsicht. Der Gemeine ist verblüfft, wie die Dinge sich entwickeln: Der dem Sand des Unwissens entstiegene Kopf des Edlen blinzelt ihm ebenerdig zu und murmelt geheimnisvoll: «Astrologisch wird der Tarotkarte des Gehängten Neptun zugeordnet.» Was hat der vor? Erst I Ging, dann Tarot – und nun sucht er sein Heil in den Sternen? Warum auch nicht, da man doch weiss, dass der Zeitpunkt der Geburt eine fast sakrale Konstante ist, von der Tarot und I Ging nur träumen können?
Achtung, wir nähern uns dem Zentrum der Entscheidungsfindung, denn Ihre Exzellenz, die Deutungshoheit, beschliesst, von der hohen Warte des Absoluten in die Welt des Alltäglichen hinabzusteigen. Alles ist nur eine Frage des geschickten Verknüpfens, ruft sie uns zu. Und gibt zu bedenken: «Wenn die Kraft des Schattigen im Aufsteigen ist, zieht sich der Edle völlig zu Recht in sich selbst zurück, gibt sich den Anschein, ein Gehängter zu sein, obwohl er eigentlich nur Hatha Yoga praktiziert, bis alle Widersprüche vor ihm geflohen sind und er endlich in sich den Ruf der Sterne vernehmen kann. Was soll daran verkehrt sein? Alles geht mit rechten Dingen zu, wenn man nur der Fantasie vertraut.»
Astrologisch ist der Edle also gut beraten, sich im Zustand des Gehängtseins so lange intensiver Innenschau zu widmen, bis Neptun ihn erlöst und ihm zuflüstert, es gäbe da noch eine ganz andere Art, mit den selber oder durch andere verursachten Problemen dieser Welt umzugehen als mit I Ging und Tarot. Und die wäre? «Nun, da keine unnötigen Widersprüche dich mehr zu belästigen wagen, versuch es doch einfach mal mit dem einzigartigen Wu Wei. Wenn du es heiter betreibst, wird es dir vielleicht raten, siehe oben, das I Ging zu befragen, das dir rät, zum Gehängten zu mutieren, um über den Sinn des Lebens zu meditieren, bis ich auf der Bildfläche erscheine, sich alle Rätsel verflüchtigen und du erkennst, dass die meisten Dinge sich von selbst lösen, wenn du sie nicht daran hinderst.»
Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung; Bücher: «Astro-logische Merkwürdigkeiten – Kolumnen» (2017, nur bei Amazon erhältlich), «Wenn die Kindheit Schatten wirft: Beziehungen, Hochsensibilität, Narzissmus» (2014), «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert