Astrologie Heute Nr. 208 (Dezember 2020)
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Astrologie Heute Nr. 208
Dezember 2020

Inhaltsverzeichnis
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Astro-logische Merk-Würdigkeiten

Um des lieben Friedens willen

von Barbara Egert

Wahrscheinlich verriegelt der Wunsch Frieden zu schliessen mehr Türen als er öffnet, besonders solche, die zu einem besseren Verständnis einer Krise führen könnten. Man verzeiht und hofft auf ein Wunder. Die Tücken vorschnellen Verzeihens erkennt man erst bei der nächsten Katastrophe, die nur darauf wartet, je nach Temperament – astrologisch allerdings genau prognostizierbar – in Erscheinung zu treten. Geringfügige Regelverstösse dringen zwar auf leisen Pfoten in den fragilen Frieden ein, doch ein kleiner Fauxpas ist noch kein Affront, und niemand fühlt sich brüskiert. Noch bestimmt der Kompromiss den Status quo. Doch schon ein unbedachtes Wort, und es knallt. Ist, wer uns so schwer zu schaffen macht, von Pluto bestimmt, dann hilft nur noch ein beherztes: «Jetzt reicht es! Such dir gefälligst ein anderes Opfer!»

Wenn jemand um des lieben Friedens willen einem Konflikt entflieht, um endlich wieder in Ruhe schlafen zu können, dann setzt er dennoch eine Maschinerie in Gang, in der es knirscht und scheppert, weil alles viel komplizierter ist als es scheint. Und zwar deshalb, weil der Sand der Hintergedanken unaufhörlich rinnt und rieselt, sich nicht beschwichtigen lässt und jedem «lieben» Frieden ganz besonders misstraut. Glaubt man denn selbst daran? Wer sein Seelenheil mit Goethes «Alles verstehen heisst alles verzeihen» zu retten hofft, sollte auf Goethes Bedingung des Verzeihens – das Verstehen nämlich – achten! Ohne Verstehen kein Verzeihen. Was mich an diesem so oft missbrauchten Zitat auch noch irritiert ist das «Alles». Reicht es denn nicht aus, etwa das «feurige» Horoskop des Beleidigers zu kennen, um seine Unbedachtsamkeit zu verstehen? Aber eben nur die und nicht gleich alles andere auch, das mir sein Horoskop zwar erklärt, ihn selbst mir aber nicht sympathischer macht. Etwas differenzierter sollte es schon zugehen, wenn man so grosse Worte wie Verstehen und Verzeihen benutzt.

Die Trümmer einer gescheiterten Ehe oder Freundschaft lassen sich natürlich auch mit einem «C’est la vie» neptunisch-romantisch verklären, oder mit Bonmots so ausschmücken, dass man meint, jemand erzähle den Witz des Jahrhunderts. Doch ungelöste Konflikte sind wie Meerestiefen, die einen hinabziehen wollen. Zu sich hin, von sich weg? Wer sie ignoriert, meint sie lösten sich mit der Zeit von selbst auf. Ein Irrtum: Wir vergessen sie, sie uns aber leider nie. Denn sie haben ein Elefantengedächtnis, auch wenn sie so tun, als wahrten sie den Schein des Nichtwissens. Irgendwann, irgendwo, irgendwie – meist wenn wir völlig sicher sind, nichts mehr mit ihnen zu tun zu haben – sind sie wieder quicklebendig und stellen uns ihre Fragen.

Es gibt tausend Arten, auf eine Beleidigung zu reagieren. War sie wirklich so gemeint, hat man sich verhört, die Ironie nicht bemerkt? Auf jeden Fall hat man nicht die geringste Lust, sich wegen so einer Bagatelle aufzuregen. Obwohl: Schlimm wird es erst, wenn die Hintergedanken, die sich als Gespenster im achten Haus niedergelassen haben, verwandeln und uns höhnisch fragen: «Verdirbst du es dir vielleicht nur deshalb nicht mit dem Unhold, weil du ihn noch mal brauchen könntest?» Beleidigt zu werden und nicht zu reagieren stellt uns Fragen nach unserem marsischen Mut, dem Willen, sich zu behaupten und einen Eklat zu riskieren!

Gelingt um des lieben Friedens willen ein friedliches Miteinander nur mit dem Agreement der Waage: «Tust du mir nichts, tu ich dir auch nichts» und dem frommen Wunsch, alles möge wieder gut sein? Emotional überwältigt umarmen sich Mond und Pluto innig, jeder Konflikt scheint vergeben und vergessen. Wer sich so innig umarmt, braucht keine Worte. Es gibt jedoch auch Umarmungen, die eher der Verschleierung dienen, um nicht über Differenzen sprechen zu müssen. Auch die längste Umarmung endet irgendwann und das Kuddelmuddel der Missverständnisse kann es kaum erwarten, sich erneut einzumischen.

Und wieder beginnt das altbekannte Spiel. Soll man verzeihen, um seine Ruhe zu haben? Oder alles auf eine einzige Karte setzen? Vielleicht ist dies ja genau der richtige Moment, um «Null Ouvert» zu spielen, die Karten offen auf den Tisch zu legen, sein Gegenüber mit einer aufs Nötigste reduzierten Mimik, wie beim Pokern, anzuschauen und endlich ein «Was ich dir schon immer mal sagen wollte …» zu wagen.


Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung; Bücher: «Astro-logische Merkwürdigkeiten – Kolumnen» (2017, nur bei Amazon erhältlich), «Wenn die Kindheit Schatten wirft: Beziehungen, Hochsensibilität, Narzissmus» (2014), «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert