Astrologie Heute Nr. 210 (April 2021) - Bücherschau
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Astrologie Heute Nr. 210
April 2021

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 210 bestellen

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Klassische Astrologie und Handlesekunst

Manfred Magg:
Traditionelles Handlesen
Die Chiromantie und Astrologie von Johannes Rothmann

Pb., 160 S., 48 Abb., € 22,– / sFr. 29.50 fPr
Chiron Verlag, D-Tübingen 2020

 

Manfred Magg, geprüfter Astrologe DAV und Chiromant, hat das vorliegende Werk aus dem 16. Jahrhundert von Johannes Rothmann in eine für uns verständlichere Sprache übertragen und auch an einigen wichtigen Stellen kommentiert und unter dem Titel Traditionelles Handlesen publiziert.

Eingangs wird der Zusammenhang von Chiromantie und Astrologie dargelegt, in der damaligen Sprache als „Sterne und Hände“ bezeichnet. Zugegeben, man muss sich erst an die recht seltsam anmutende Sprache des 16. Jahrhunderts gewöhnen, auch wenn Manfred Magg hier eine wertvolle Arbeit geleistet hat, indem er die Formulierungen schon angepasst hat.

Dem folgt ein informatives Kapitel über die Theorie der Handlesekunst. Hier werden die Regeln, der Aufbau und die Deutungsmöglichkeiten diverser Handlinien, Hügeln und weiterer Handmerkmale genau erläutert. Nun werden auch ganz konkret die sieben klassischen Planeten miteinbezogen. Diese Deutungsregeln sind eine Fundgrube der alten Prognostik, denn hier werden nicht nur die Bedeutung der einzelnen Elemente der Chiromantie erläutert, sondern auch solche Sätze wie zum Beispiel „Wenn die Leber- oder Mittellinie unten am Widerschlag, dem Mondberg, zerschnitten ist, zeigt sie Armut und Schädigung im Alter durch falsche Nahrung an“ (Seite 32). Oder ein weiteres Beispiel über Saturn: „Saturn bewirkt Gefängnisaufenthalte, ... Fallen von oben herab..“,S.46). Diese Aussagen sind für uns moderne Astrologen eher amüsant zu lesen, zeigen aber doch die damalige Art mit Deutungen umzugehen. Davon abgesehen ist dieses Kapitel sehr wertvoll, da hier die wichtigsten Deutungsregeln ausführlich dargestellt sind und anhand dessen sich auch heute noch eine Handlesung aufbauen lässt.

Im Kapitel mit den 19 Beispielen hat Manfred Magg einen sehr wertvollen Beitrag geleistet, denn er hat die damals übliche quadratische Horoskop-Darstellung in unsere heutige Kreisdarstellung umgewandelt und hat alle Horoskope in die heute gängigen Ortszeiten umgerechnet. Durch seine erklärenden Kommentare wird dem Leser, der Leserin deutlich gemacht, dass zum Beispiel damals die Tage um 12 Uhr mittags begannen. Jemand dessen Geburtszeit um 12:10 LMT angegeben ist, wurde nach heutiger Zeit um 00:10 Uhr des darauffolgenden Tages geboren. Ebenso hat er die Koordinaten überprüft und versucht die heutigen Orte dafür zu ermitteln. Die Beispiele, die J. Rothmann immer im Vergleich von Handlinien und Radix des betreffenden Klienten gedeutet hat, sind eine Fundgrube an Informationen. Dank Manfred Maggs hilfreicher Arbeit und sinnvoller Erklärungen kann auch der chiromantische Laie die Aussagen überprüfen und nachvollziehen.

Dem folgt ein Kapitel über die Astrologie J. Rothmanns mit den üblichen Deutungsregeln der klassischen Astrologie. Interessant ist zu erwähnen, dass das Placidus Häusersystem noch nicht erfunden war und deshalb alle Horoskope nach Regiomontanus berechnet wurden. Ebenso gibt es natürlich noch keinen Uranus, Neptun und Pluto. Abschließend wird dem Leben Johannes Rothmanns ein Kapitel gewidmet, in dem Herr Magg auf dessen Lebenslauf und Werdegang eingeht.

Das vorliegende Werk ist durch die Aufbereitung von Manfred Magg ein gut verständliches Nachschlagewerk und einzigartiges Handbuch der Chiromantie unter Einbeziehung der klassischen Astrologie.

–Ute Flörchinger
 
   

     

In Wahrheit sind sie Brüder

Jörg Petersen:
Saturn und Uranus
Das kosmische Wechselspiel im Horoskop

Pb., 120 S., € 22,– / sFr. 29.50 fPr
Chiron Verlag, D-Tübingen 2020

Ein Praxisbuch durch und durch, das neue Werk von Jörg Petersen: Saturn und Uranus – mit allen Vorteilen, die wir von einem Praxisbuch erwarten: Einführung in die Mythologie von Saturn und Uranus, Deutungsprinzipien für Saturn und Uranus, ihr archetypischer Gehalt, klare Deutungstexte für die Hauspositionen und die Häusertransite der beiden Faktoren im Individualhoroskop. Und all das ohne Schnörkel, aber keineswegs minimalistisch, mit zahlreichen Horoskopbeispielen.

Jörg Petersens Buch ist aber weit mehr als nur ein Praxiswerk. Er sieht die beiden Faktoren unzertrennlich mit- und ineinander verschränkt: hier Uranus, der Rebell, da Saturn, der Verantwortungsvolle und Gereifte. Oberflächlich betrachtet sind Saturn und Uranus die schärfsten und unversöhnlichsten Gegenspieler im Kosmos. In Wahrheit sind sie jedoch Brüder. Gemeinsam werden sie zur verwirrenden, doppelgesichtigen Gottheit des Janus, sind miteinander verwoben im Wechselspiel zwischen Fortschritt und Tradition, zwischen Erstarrung und Aufbruch. Das stellt Jörg Petersen ausführlich und mit feinem Gespür für die Psychologie der beiden Planeten dar. Mit dazu gehört die Erörterung des Saturn/Uranus-Zyklus, der eine Länge von 45 Jahren hat. Mit diesem astrologischen Rüstzeug deutet Petersen Kultur- und Zeitgeschichte seit dem 19. Jahrhundert. Das alles ist höchst lesenswert.

Eine der schönsten Charakterisierungen für die Janusköpfigkeit von Saturn und Uranus ist die Feststellung: «Nichts ist konservativer als alte Revolutionäre». Oder: «Die Groupies von heute sind die Kritiker von morgen.» Und da der Uranus nun einmal der Planet der Astrologen ist, darf man fragen, wer die Astrologen von übermorgen sind. Ein paar konstruktive Vermutungen dazu könnte jetzt schon Jörg Petersens Buch beisteuern. Danke für diese Publikation!

Christoph Schubert-Weller
 


     

Licht auf einen blinden Deutungsfleck
Klemens Ludwig:
Die kosmische Dreifaltigkeit

Die drei Urprinzipien kardinal, fix und veränderlich als Schlüssel zum Verständnis des Horoskops, mit Vorwort von Erich Bauer

Pb., 98 S., 15 Abb., € 18,90 / sFr. 22,30 fPr
Chiron Verlag, D-Tübingen 2020

Die Dreiheit als materielles und geistiges Prinzip: Bauen, Bewahren, Zerstören. So sieht der Hinduismus das göttliche Wirken in der Welt: Brahma der Schöpfergott, Vishnu der Bewahrer, Shiva der Zerstörer. – Gott Vater, der Schöpfer, Gottes Sohn, der Retter und Bewahrer, der Heilige Geist, der durch Wandlung zur Einsicht führt. Das ist eine christliche Sicht der Dreiheit.

Die Welt besteht aus dynamischen Dreierschritten: kardinal, fix, veränderlich: Wir wollen. Wir haben. Wir erkennen und überwinden. Zunächst ist ein Wille da, der sich einer Idee oder einer Angelegenheit bemächtigt. Der Wille formt diese Idee, diese Sache gestalthaft aus, bis sie allenthalben wie selbstverständlich gehandhabt wird. Der tätige Wille, der mit Eroberungsgeist und gehörigem Betriebsdruck einhergeht, sorgt für „Fortschritt“, für „Innovation“ Schliesslich ist es diese um- und neugeformte Idee, die nach und nach in den kollektiven Besitz übergeht. Ein neuer Standard wird erreicht, auf dessen Niveau die Dinge selbstverständlich werden: ein stabiler Zustand, womöglich auf Jahre hinaus. Das ist die Zeit des „Habens“, eine Zeit fragloser Sicherheiten und garantierter Wahrheiten. Aber dann zeigen sich feine Risse. Geltende Standards einerseits und aufkommende Ideen andererseits führen zu Reibungen und Widersprüchen. Die Risse werden grösser. Jetzt setzt die Zeit der Erkenntnis ein, der Erkenntnis von Grösse und Grenzen der noch geltenden Standards. Im Umriss zeigt sich aber auch schon die Ahnung, dass die geistige Überwindung dieser Standards bevorsteht.

Dieses Entwicklungsschema, dem übrigens in aller Regel die wissenschaftlichen Innovationen und Revolutionen folgen, gehört auch zur Ausstattung des Tierkreises. Wir sprechen vom kardinalen Kreuz, vom fixen Kreuz und vom veränderlichen Kreuz. Klemens Ludwig beschäftigt sich in seinem neuen Buch Die kosmische Dreifaltigkeit eingehend mit diesen sogenannten Modalitäten. In diesem Buch werden die Modalitäten auch bezüglich Häuser und Aspekte beschrieben und das schwierige Thema anhand praktischer Übungen verdeutlicht.

Halten wir uns vor Augen, dass der Tierkreis vom Zeichen Widder bis zu den Fischen in etwa dem Jahreslauf auf der Nordhalbkugel der Erde entspricht. Das „kardinale Kreuz“ bezieht sich auf den jeweils ersten Monat einer Jahreszeit. Die neue Jahreszeit beginnt voller Kraft und Willen. Der jeweils zweite Monat einer Jahreszeit entspricht der fixen Dynamik, dieser Monat ist der stabilste, was die Jahreszeit betrifft, der für die aktuelle Jahreszeit zugleich typischste Monat. Der jeweils letzte Monat einer Jahreszeit hingegen ist wenig stabil, die jahreszeitlichen Klima- und Wetterlagen geraten eher durcheinander, oft erleben wir in diesem letzten Drittel schon einen deutlichen Vorgriff auf die bevorstehende nächste Jahreszeit.

Wir sind gewohnt, die Dynamik eines Individualhoroskops als abhängig vom Verhältnis kardinaler, fixer und veränderlicher Zeichenbesetzung zu deuten. Überwiegt im Individualhoroskop eine Besetzung der kardinalen Zeichen Widder, Krebs, Waage, Steinbock, setzt der Horoskopeigner einen beachtlichen Willen ein, um eine Vision zu verwirklichen. Überwiegt eine Besetzung der fixen Zeichen Stier, Löwe, Skorpion und Wassermann, tritt eine bewahrende und pflegende Perspektive in den Vordergrund. Überwiegt schliesslich die Besetzung der veränderlichen Zeichen Zwillinge, Jungfrau, Schütze und Fische, so treten Anregsamkeit und Vielseitigkeit nach vorn, der Horoskopeigner erscheint spontan und widersprüchlich, ist jedoch zugleich geistig schöpferisch, spielerisch, stellt infrage und gibt unerwartete Antworten. Auf Häuserebene gehen wir analog vor und unterscheiden die Besetzung „kardinaler Häuser“ (Häuser 1, 4, 7 und 10), „fixer Häuser“ (Häuser 2, 5, 8 und 11), und „veränderlicher Häuser“ (Häuser 3, 6, 9 und 12).

Dies alles „weiss“ der Fachastrologe irgendwie. Ob er es auch anwendet, ist fraglich. Die Zunft neigt jedoch dazu, sich beim Deuten eines Horoskops auf die Durchführung der „drei Hauptübungen“ zu beschränken – Planet im Zeichen, Planet im Haus und Planet im Aspekt zu anderen Faktoren. Insofern wirft das Buch von Klemens Ludwig ein ganz pragmatisches Licht auf einen blinden Deutungsfleck der modernen Astrologie.

– Christoph Schubert-Weller