Astro-logische Merk-Würdigkeiten
Im Garten eines Kraken
von Barbara Egert
Als die Kopffüsser vor Jahrmillionen auf ihren muschelschaligen Schutz verzichteten, um frei und beweglich die Meere zu erkunden, experimentierten sie mit Möglichkeiten, die in der Natur völlig neu waren. Sie erfanden nicht nur den Düsenantrieb, die neptunisch-tarnende Sepia-Tintenwolke und das chamäleonartige Verschmelzen mit ihrer Umgebung, um unsichtbar zu werden, sondern entwickelten auch die Fähigkeit, den Wechsel ihrer Gefühle nicht nur blubbernd zu verbalisieren, sondern ihn differenziert durch eine farbenprächtige Blink-Kaskade auszudrücken.
Astrologisch gesehen flohen Oktopusse aus der Geborgenheit des Mondes. Doch das wohl geheimnisvollste an diesen sonderbaren Wesen ist ihre «Vielköpfigkeit», zu der sie das innovative Team aus Uranus und Merkur angestiftet haben muss. Wer sonst könnte sich etwas derart Geniales ausdenken: acht autonom agierende «Gehirne» in den Armen und ein Kopfgehirn, das all das Armengewusel koordiniert?
Nicht nur Merkur und Uranus gaben ihr Bestes, um diesen freiheitsliebenden Geschöpfen das Überleben zu erleichtern. Besonders die Sonne und die Venus unterstützten sie grosszügiger als alle anderen mir bekannten Kreaturen, indem sie ihnen gleich drei Herzen schenkten. Verlockte die Idee achtarmiger Umarmung etwa Sonne und Venus? Allerdings stellen drei Herzen eine grosse Herausforderung für Amors Treffsicherheit dar. Aber neunmalklug wie sie sind, werden sie auch dieses Problem gelöst haben – sonst hätte die Evolution sie schon längst vergessen.
Ihr Beitrag zur Philosophie ist noch nicht erforscht, wohl aber ihre Fähigkeit, Flaschen zu entkorken und Marmeladengläser aufzuschrauben. Doch früh müssen die Oktopusse begriffen haben, dass die unheimlichste Form der Geborgenheit ein Gefängnis ist, das der Gefangene nicht als Gefängnis, sondern als freisten Ort der Welt empfindet. Ein Gedanke, den Plato später in seinem Höhlengleichnis erörtert. Da die einzelnen «Gehirne» ihr Haupthirn nicht mit erfolglosen Fangversuchen belasten, kann dieses sich ganz auf das Wesentliche konzentrieren: sich ungestört ozeanischen Gefühlen hingeben oder über Sartres «Das Sein und das Nichts» philosophieren. Sartre, der sich schämte, weil der Blick des Anderen jeden zum Objekt machen und in ein Nichts verwandeln könne, hätte von einer Unterhaltung mit Kraken sicher profitiert. Diese sind sich nämlich durchaus im Klaren darüber, ob und wie sie beobachtet werden – und halten sich dezent zurück, um nicht lästig zu fallen. «Das sind unglaubliche Heimlichtuer», verrät ein Forscher, «und wenn du sie anschaust, schauen sie einfach zurück.» Unklar bleibt jedoch, ob man diesen Blick als arrogant, skorpionisch oder ironisch deuten soll.
Astrologisch gesehen ist die Art, wie sie auf all die bewährten Schutzmassnahmen von Krabben, Hummern und Langusten zugunsten ihrer achtfüssig-tänzelnden Leichtigkeit verzichten, um das Abenteuer grenzenloser Freiheit zu geniessen, ein Affront gegen das saturnische Prinzip.
Charmant zu brüskieren – gilt das nicht als typisch britisch? Wer erinnert sich nicht an die einst aufregendste Band der Welt? Fast wäre es zum Eklat gekommen: Ringo Starr überwarf sich mit den Beatles, verliess sie zeitweise und reiste nach Sardinien, wo er sich eine Yacht von seinem Freund Peter Sellers lieh. Der Kapitän der Yacht schwärmte ihm vom Leben der Kraken vor, insbesondere davon, dass diese sich vor ihrer Höhle eine Art Garten errichten. Das inspirierte Ringo zu dem legendären Song «Octopus’s Garden». Welch eine Geste der Versöhnung an die Band: I’d ask my friends to come and see / An octopus’s garden with me (…). Oder wie er auf Deutsch sagen würde: Ich würde gerne meine Freunde fragen, ob sie mit mir einen Oktopusgarten sehen wollen (…). Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass er nur zwei Songs geschrieben hat: das sehr melancholische «Don’t Pass Me By» und eben diesen Song vom Krakengarten, der 1969 auf dem Abbey Road-Album erschien.
Geboren wurde Ringo Starr am 7. Juli 1940 in Liverpool. Sein Geburtsherrscher ist Neptun in Opposition zum Fische-AC, im Quadrat zum MC und zur Venus, die an der Spitze des vierten Hauses steht. Geht es noch neptunischer? Ja, es geht – wenn man an alles glaubt, was Kapitäne einem so erzählen. Fakt ist nämlich, dass Oktopusgärten aus nichts anderem bestehen als den unverdaulichen Resten ihrer entfernten Verwandten...
Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung; Bücher: «Astro-logische Merkwürdigkeiten – Kolumnen» (2017, nur bei Amazon erhältlich), «Wenn die Kindheit Schatten wirft: Beziehungen, Hochsensibilität, Narzissmus» (2014), «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert