Astro-logische Merk-Würdigkeiten
Gespenstische Zwischenzustände
von Barbara Egert
Meist sind es nicht Depressionen, an die man sich noch nach Jahren wie an ein Ungeheuer aus einem fremden Leben erinnert, sondern seelische Zustände, die keinen Namen haben, mit denen man sie dingfest machen könnte. Sie vagabundieren durch unser Inneres – mal hier, mal dort –, aber immer tauchen sie in einem ungünstigen Moment auf und verderben uns die Laune.
Wenn sich eine dieser unscheinbaren Gestalten in unser gut geordnetes Leben drängt, haben wir ein zwar kleines, aber sehr lästiges Problem. Noch ist es nicht so schlimm, dass man jemandem davon erzählen möchte. Doch wenn man sich selbst fragt oder gefragt wird, was man denn hat, antwortet man ausweichend. Alles spielt sich so weit entfernt von den Extremen «Glück» und «Unglück» ab, dass man meint, das Leben zu beleidigen, weil man sich so leicht aus der Ruhe bringen lässt. Und oft sind solche Stimmungen ja auch längst wieder verschwunden ehe man sich noch fragen kann, woher sie kommen, was sie von einem wollen und wie man sie einordnen soll.
Und dennoch, es ist ja nicht das erste Mal, dass sie aus dem Nichts auftauchen und irgendwann wie ein neptunischer Spuk wieder im nebulösen Nirgendwo verschwinden. Manche dieser Nichtigkeiten scheinen resistent gegen jede Art der Verscheuchung und lassen erst locker, wenn als Grund etwa eine unmerkliche Beleidigung entlarvt ist. Wenn man sie als belanglos abtut, beeindruckt sie das nicht: Sie werden wiederkommen. Zum Beispiel in einem Traum, der einem die gute Laune verdirbt, schon bevor man die Augen im Morgengrauen zu öffnen versucht. Bevor man einschlief, war die Welt noch in Ordnung. An einem unangenehmen Nachhall des Tages kann es also nicht gelegen haben. Woran aber dann? Oder haben wir den eigentlichen Auslöser verdrängt, und nun drängt er, wie ein Gespenst aus der Vergangenheit, wieder in unser Bewusstsein?
Ist es denn nicht «gespenstig», wenn sich ein Gedanke so materialisiert, als wäre er greifbar – nur um dann wieder zu verblassen und sich aufzulösen? Wie chaotische Verwirbelungen in der Atmosphäre, die Wetterprognosen erschweren, entstehen auch in uns Strömungen, die unser Befinden durcheinanderwirbeln. Man kennt sie als gute oder schlechte Laune, die kommt und geht wie der ständig sich verändernde, launische Mond (lateinisch «luna»). Er weiss um jene sensiblen Bereiche, in denen man schnell gekränkt und leicht verletzbar ist und wie eine Mimose auf Kritik reagiert.
Gerade weil wir (meistens) unserer Vernunft vertrauen, irritiert es uns, dass sie nicht in der Lage ist, eine Melodie auszublenden, die wir nicht darum gebeten haben, sich in uns breitzumachen. Ein Ohrwurm! Merkur amüsiert sich… Mehr noch als ihre Unbestimmtheit befremdet uns die Flüchtigkeit solcher Stimmungen (Mond/Krebs) – sie kommen und gehen wie Gespenster: Erscheinungen, die in unserer vernünftigen Welt eigentlich keinen Platz haben. Psychologisch deutet man ein «Gespenst» als Phänomen, das nur in der Einbildung des Wahrnehmenden vorhanden ist. Doch wer selbst erlebt hat, wie sich eine skurrile Idee in einem einnistet – eine Idee, der wir freiwillig nie gestatten würden, sich in uns festzusetzen –,empfindet sie nicht als Einbildung, sondern als sehr reale Zumutung.
Astrologisch lassen sich Entsprechungen solcher kurzlebigen Plagegeister nachweisen. Aber es gibt ungeahnt viele Möglichkeiten, ob und wie sie sich auslösen und mit welcher dieser winzigen Stimmungsschwankungen man es also diesmal zu tun hat. Ein plötzlicher Kälteeinbruch, eine dramatische Mond/Pluto-Opposition – beides ist offensichtlicher als subtile Stimmungswechsel, und man kann sich darauf einstellen oder sogar versuchen, sich dagegen zu wappnen (viel Glück…!). Zumindest im Nachhinein wird man mit detektivischem Spürsinn erforschen, welche neptunische Verwirrung oder marsische Unbeherrschtheit schuld gewesen sein könnte, und sich vornehmen, in einer ähnlichen Situation besser vorbereitet zu sein.
Begriffe, die Merkur und Saturn benutzen, um die Wirklichkeit rational zu beschreiben, eignen sich nicht, wenn es um neptunische Stimmungen geht, die – eben noch wahrnehmbar – sich schon wieder auflösen. Doch auch das Unbestimmte ist Teil unserer Welt und kann sich weigern, Form anzunehmen, wenn es nebulös und zweideutig bleiben möchte, weil genau das seiner Natur entspricht. Wagte man den Versuch, einem um Verständnis bemühten Freund von diesen sonderbaren Stimmungen zu erzählen, wie würde man ihm begreiflich machen, worum es eigentlich geht? Vielleicht sollte man einfach abwarten, bis Neptun seinen Mond oder Merkur transitiert!
Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung; Bücher: «Astro-logische Merkwürdigkeiten – Kolumnen» (2017, nur bei Amazon erhältlich), «Wenn die Kindheit Schatten wirft: Beziehungen, Hochsensibilität, Narzissmus» (2014), «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert