Astrologie Heute - Themen der Zeit
Menschen- und Rinderwahn

von Claude Weiss

Kurz vor dem Beginn des letzten Jahrhunderts gab es im Dezember 1898 mit einer Saturn/Pluto-Opposition auf 15 Grad Schütze/Zwillinge eine Konstellation, die sich spiegelbildlich zur kommenden Saturn/Pluto-Opposition verhält, und dies sogar auf den gleichen Graden, wie die Horoskope für die Saturn/Pluto-Oppositionen vom 8. Dezember 1898 (Fig.1) und vom 5. August 2001 (Fig.2) zeigen. So können wir erwarten, dass viele der Themen, die uns in diesem sowie im nächsten Jahr beschäftigen, eine Überprüfung von Entwicklungen erheischen, die 1898 ihren Anfang nahmen. Bekanntlich war das erste Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts, welches der Neptun/Pluto-Konjunktion von 1892 folgte, hinsichtlich menschlicher Erkenntnisse und Entdeckungen eines der fruchtbarsten, vielleicht sogar das fruchtbarste Jahrzehnt unserer modernen Geschichte. Bahnbrechende Konzepte wie die Relativitätstheorie von Albert Einstein oder die Traumlehre von Siegmund Freud wurden damals entwickelt und publiziert. Man kann getrost sagen, dass diese und eine Reihe weiterer revolutionärer Entdeckungen von damals unsere moderne Zivilisation mit ihren hellen und ihren dunklen Seiten geformt haben. Der Kulturhistoriker und -philosoph Jean Gebser hat die Implikationen jener Zeit für unser Denken im Artikel «Die Welt im Banne von Wissenschaft und Technik» prägnant charakterisiert:

Das erste Jahrzehnt unseres Jahrhunderts stand ganz und gar im Banne von Wissenschaft und Technik. Damals wurden die Grundlagen gelegt, die sie zu Sklaven der Industrie und der Wirtschaft gemacht haben. Vorerst freilich schien es, Wissenschaft und Technik mit ihren noch nicht absehbaren, aber doch schon vermuteten Errungenschaften und «Bereicherungen» würden zu den angebeteten, verweltlichten Mächten, zu den Göttern unserer Zivilisation. Der echte Glaube an die Macht des Unsichtbaren, des Nicht-Greifbaren, verwandelte sich in euphorische Wissenschaftsgläubigkeit, welche seit damals unserem Jahrhundert in der westlichen Welt das Gepräge gegeben hat: Ein erster Ansatz (der freilich schon seit langem vorbereitet war) zu der sich durchsetzenden Spaltung unseres Weltgefühls, da die Glaubensbereitschaft nicht mehr den irrational-religiösen Mächten, sondern deren Widerpart, der rational-weltlichen Leistung, entgegengebracht wurde. Ein grösserer Widerspruch – man ist versucht zu sagen: eine grössere Perversion, die einer verderblichen Erkrankung von Seele und Geist gleichkommt – lässt sich schwerlich denken … Eines jedoch ist wohl offensichtlich: Es gibt kaum einen tieferen Gegensatz als jenen, der damals sichtbar wurde: dass der Glaube, das irrationale Vermögen des Menschen auf Äusserungen übertragen wurde, die nicht irrational-göttlicher Art waren, sondern auf das rational-menschliche Vermögen, das nicht dem Geistigen, sondern dem blossen Verstande entspringt. Was Wunder, dass die derart denaturierten menschlichen Kräfte, zu Göttern erhoben, dieses Mass an Überfrachtung nicht zu tragen vermochten und neuen Götzenbildern weichen mussten, zu deren Dienern sie wurden: der Industrialisierung und Wirtschaft.

Den Gegensatz zwischen Zwillinge und Schütze könnte man als Astrologe kaum treffender charakterisieren, und dieses Zeugnis eines astrologisch nicht vorbelasteten Kulturhistorikers lässt uns ermessen, wie bedeutsam Saturn/Pluto-Oppositionen sind, indem sie uns die Zeichenachse, auf der sie stattfinden, dramatisch vor Augen führen. Dieses Zeugnis aus einer anderen Zeit ermöglicht uns, eine gewisse Distanz und einen Meta-Standpunkt zu jenen Themen einzunehmen, die aus unmittelbarer Nähe nicht immer in der richtigen Perspektive zu sehen sind. Jedenfalls hat damals der menschliche Geist eine Richtung eingeschlagen, die zu Konsequenzen führte, mit denen wir uns in den kommenden Jahren auseinanderzusetzen haben dürften.

Ein Beispiel davon ist der Rinderwahn und dessen menschliche Entsprechung in Form der Creutzfeld-Jakob-Krankheit, welche wir bereits 1994 der Periode mit Pluto im Schütze-Zeichen zuordneten, ähnlich wie Aids zur Periode von Pluto in Skorpion gehörte. Die Gründe dafür charakterisierten wir im Jahre 1996 in der Juni/Juli-Ausgabe von Astrologie Heute folgendermassen:

1. Das Schütze-Zeichen hat mit ganzheitlichem Denken und mit dem Erkennen grösserer Zusammenhänge zu tun. Es symbolisiert im Körper die Funktion des Erkennens, welche das Hirn bewerkstelligt. Damit verbunden sind auch die Augen und die Funktion des Sehens und, über das Gegenprinzip Zwillinge oder Merkur, die Nervenbahnen. Krankheiten dieser Organe bei Mensch und Tier sind Ausdruck des veränderlichen Kreuzes und des Merkur/Jupiter-Prinzips, welches in seiner traditionellen Zuordnung über sämtliche Zeichen des veränderlichen Kreuzes regiert. Dementsprechend sind Erkrankungen dieser Organe bei Mensch und Tier eine naheliegende Entsprechung für die Periode mit Pluto in Schütze. Dazu gehören auch sämtliche Formen von Wahn, ganz unabhängig davon, ob es sich um einen religiösen Wahn oder durch Krankheit ausgelöste Wahnvorstellungen handelt.

2. Seit der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts mit Pluto in Zwillinge hat sich der Mensch von seiner Abhängigkeit vom Tier als Partner befreit, indem er durch das Aufkommen des Automobils nicht mehr auf das Pferd angewiesen ist, um sich schneller zu bewegen, als es ihm von Haus aus möglich ist. Zu jenem Zeitpunkt wurde der Grundstein für eine verheerende Abwertung des Tieres gelegt, welche bis hin zur heute weit verbreiteten industriellen Tierhaltung führte, in welcher Lebewesen als Fleischfabrikationseinheiten gehalten werden. Von einer Partnerschaft mit dem Tier kann begreiflicherweise in diesem Stadium nicht mehr gesprochen werden, denn es herrschen nur noch merkurische Kriterien der Ertrags- und Profitmaximierung. Dies hat dazu geführt, dass man sich – ganz vom sinnorientierten Jupiter-Prinzip abgekommen – auch nicht scheute, Pflanzenfressern tierisches Kadavermehl zu verabreichen.

Solche Einseitigkeiten sollen nun mit Pluto in Schütze korrigiert werden. Letztlich verbirgt sich dahinter die Aufforderung, stärker in Einklang mit dem «Sinn» zu leben. Dies heisst astrologisch gesprochen – wie wir bereits früher ausführten – weniger Merkur und mehr Jupiter. Seine Verbindung mit dem Tier wird dem Menschen widerwillig bewusst, wenn er durch den Verzehr von Tieren, die er krank gemacht hat, selbst krank wird. Unliebsamerweise muss er sich der Erkenntnis öffnen, dass der mutmassliche Erreger des Rinderwahnsinns, ein so genanntes «Prion», grosse Ähnlichkeiten hat mit jenem «Prion», welches die Creutzfeld-Jakob-Krankheit, den so genannten menschlichen «Hirnschwamm», auslöst …

Rudolf Steiner, dem Begründer der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, waren diese Zusammenhänge schon viel früher bewusst, ohne vom «Prionenmodell» irgendetwas gewusst zu haben. Er meinte dazu: «Wenn ein Ochse anstatt Pflanzen Fleisch fressen würde, dann würden sein Nervensystem und sein Gehirn geschwächt, und der Ochse würde verrückt werden.»

Es ist bezeichnend, dass wir mit der Opposition zwischen Saturn und Pluto auf der Zwillinge/Schütze-Achse dramatisch mit dem Rinderwahnsinn und mit der Maul- und Klauenseuche konfrontiert werden. Die Aufklärung (Merkur-Prinzip) hat es mit sich gebracht, dass wir keine Hexen mehr verbrennen. Dass wir jedoch dazu übergegangen sind, Tiere auf modernen Scheiterhaufen in grossem Umfang zu verbrennen, stimmt bedenklich und zeigt gravierende Fehlentwicklungen auf. Es dürfte in der nächsten Zeit noch weitere Entsprechungen geben, die uns veranlassen, die Grundlagen unserer Merkur-geprägten Zivilisation neu zu überdenken.

Zitierte Literatur:
Gebser, Jean: "Die Welt im Banne von Wissenschaft und Technik", Bilder im Spiegel der Zeit, Bd.2.

-cw

  Saturn/Pluto-Opposition 1898

Fig.1
Saturn/Pluto-Opposition 1898
6.12.1898, 13.00 GT
London, GB (51.30, 0.10W)


Saturn/Pluto-Opposition 2001

Fig. 2
Saturn/Pluto-Opposition 2001
5.8.2001, 16.50 GT
London, GB (51.30 N, 0.10 W)