Astrologie Heute Nr. 131 (Februar 2008)
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Astrologie Heute Nr. 131
Februar 2008

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 131 bestellen
Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 
Rederitis

 
von Barbara Egert
 

 
Die Endsilbe …itis kommt im Allgemeinen bei entzündlichen Erkrankungen vor, damit werden aber auch Verhaltensweisen bezeichnet, die viele als fast krankhaft empfinden. Nicht jedoch der …itis-Mensch, denn Telefonitis und Rederitis zum Beispiel sind ja dessen Lebenselixier, auch wenn derjenige, der zum Zuhören verdonnert wird, sich an seinen rauchenden Kopf fasst und der Redefluss ihm die letzten Kräfte raubt.
 
Sehr höflich kann man einen Rederitis-Menschen auch so beschreiben: «Er redet mit nur wenigen Pausen.» Die Kunst besteht darin, seine Pausen, die ja zum Luftholen unerlässlich sind, blitzesschnell zu nutzen und so intelligent einzuhaken, dass es vielleicht sogar dem Redseligen die Sprache verschlägt.
 
Wir sollten gewappnet sein, wenn wir einem Menschen begegnen, dessen Horoskop vor allem starke Merkur-Platzierungen aufweist, wobei die harten Winkel – hier besonders auch die Konjunktionen – oder eine Platzierung im dritten Haus oder in Zwillinge von besonderer Durchschlagskraft sind. Ich kenne zwei Frauen mit einer Merkur/Pluto-Konjunktion in Löwe: Unbestritten haben sie einen sehr regen und anregenden Geist und sind gleichzeitig von hoher Nervosität. Nora kann nicht eine Minute still sitzen, Katja zappelt ebenfalls hin und her, während die Augen wach und neugierig das Umfeld taxieren, die Wörter aus dem Mund purzeln, Überzeugungen mit einer Vehemenz geäussert werden, dass mental nicht sehr Gefestigte suggestiv in ihren Bann gezogen werden und schliesslich ermattet zu allem nur noch nicken. Die besondere Gabe, das Luftholen mit einem langen «und dann» oder «ja also» zu verbinden, macht die Chance eines Themenwechsels fast aussichtslos. Bei endlosen Telefongesprächen gibt es einen Trick: Der Partner oder notfalls man selbst (mit schnurlosem Telefon) klingelt an der eigenen Wohnungstür, und dadurch gibt es nun einen triftigen Grund, das Gespräch kurzfristig und vor allen Dingen höflich zu beenden …
 
Bei Merkur/Saturn-Aspektierten sind die Pausen zwischen Sätzen, Gedanken und deren Verbalisierung oftmals lang, so lang, dass man nie weiss (besonders am Telefon), ob das Thema beendet ist. Hier besteht die Gefahr, dass man mit einer sachlich-detaillierten Schilderung von eigentlich nicht so wichtigen Ereignissen konfrontiert wird, die für den Zuhörer absolut einschläfernd sind. Eine mir bekannte Sozialarbeiterin schilderte die Lage von in einer Wohnung mit türkischen Mietern entdeckten Schimmelflecken (und es waren viele) so präzise, als wäre ich für deren Beseitigung vorgesehen. Eine Verwandte, die gerade einen Wohnungswechsel zu bewältigen und die Umzugskartons gefüllt hatte, erzählte mir in allen Details deren Inhalt und referierte, welcher Stuhl und welcher Tisch an welche Stelle gestellt werden sollten. Solches ist besonders aufschlussreich, wenn man die Aufteilung der Räume gar nicht kennt!
 
Und dann gibt es natürlich noch Merkur/Uranus-Typen, die mit ihrem rastlos arbeitenden Geist Schlussfolgerungen ziehen, wo für andere noch nicht mal das Thema klar ist. Die mit ihren plötzlichen Einfällen und Kehrtwendungen ein Gespräch zumindest nicht langweilig werden lassen. Etwas gewöhnungsbedürftig sind ihre Sprunghaftigkeit und Aneinanderreihung von (für sie) folgerichtigen Ereignissen, die für den Zuhörer allerdings wenig Sinn ergeben. Thomas Ring schrieb hier so schön vom «unbewältigten Konflikt, dem Wunsch, sich origineller zu geben, als der Verstand erlaubt». Wenn es gelänge, in den Lufthol-Pausen irgendeine interessante, möglichst absurde Bemerkung anzubringen, könnte es sein, dass sogar Merkur/Uranus-Typen darauf anspringen und (kurz) zuhören …
 
Und natürlich Merkur zu Jupiter und Neptun: Das Mitteilungsbedürfnis ist ungebrochen, die Fantasie lädt aber auch den anderen ein, mitzuschwingen und sich – je nach Häuser- und Zeichenplatzierung – auf Reisen in die Weite, Tiefe oder ins Unendliche zu begeben oder den neuesten Klatsch und Tratsch über die Familie, die Nachbarn, den Kollegen zu lauschen, wobei Übertreibungen erst die richtige Würze geben. Thomas Ring schreibt über Merkur/Neptun, dass «das Intelligenzniveau sogar bei kriminellen Neigungen hoch sein kann». Also lassen wir uns nicht von Merkur/Neptun einfangen – wer weiss, wohin das führt.
 
Wenn wir uns hilflos einem Rederitis-Menschen ausgeliefert fühlen, dann hilft es uns vielleicht, mit merkurialem Feinsinn Herder zu zitieren: «Lerne schweigen, o Freund. Dem Silber gleichet die Rede, aber zu rechter Zeit schweigen ist lauteres Gold.» – Unser Gesprächspartner wird mindestens für einen erstaunten Moment verstummen und vielleicht sogar einen laut-losen Rückzug antreten. – Gerettet!
 

 
Barbara Egert,
geprüfte Astrologin DAV; jahrzehntelange Astrologie-Erfahrung; astrologische Beratungen und Kurse in Berlin; diverse Fachpublikationen; Autorin von Galiastro-Texten; ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE (E-Mail: Barbara Egert)